Der Finger Gottes
lebt, wo er lebt oder ob die Angaben von Frau Olsen richtig sind. Und ich wäre Ihnen zutiefst dankbar, wenn Sie mich bei der Klärung dieses mysteriösen Falles unterstützen könnten.«
»Was wollen Sie tun, wenn Sie alle Informationen haben?«
»Das weiß ich noch nicht. Es liegt vielleicht auch bei Ihnen.«
Jonas Vandenberg schüttete den letzten Rest Whisky in sich hinein, stellte das Glas auf den Tisch. »Brackmann, ich habe jetzt nicht die Zeit und die Ruhe, das auszudiskutieren. Ich mache Ihnen deshalb einen Vorschlag. Kommen Sie heute abend um acht wieder, dann unterhalten wir uns weiter. Dann werden auch meine Brüder Martin und Victor da sein. Ich bin sicher, wir werden eine Lösung finden.«
»Heißt das, ich soll jetzt gehen?«
»Natürlich, wenn Sie nicht noch etwas Außergewöhnliches auf dem Herzen haben? Ach, da fällt mir noch was ein – ist in Ihrer Zelle gestern nachmittag nicht mein Neffe Nathanael Phillips auf tragische Weise ums Leben gekommen? Vielleicht sollten wir uns auch darüber einmal heute abend unterhalten!«
Vandenberg grinste Brackmann an. Der war aufgestanden, Jonas Vandenberg registrierte mit Genugtuung die Wirkung seiner Worte, die Blässe, die Brackmanns Gesicht überzog.
Kapitel 41
Sobald Brackmann außer Sichtweite des Vandenberg-Anwesens war, aber noch vor dem Ort, hielt er auf der beiderseits von Platanen gesäumten Allee an und stieg aus. Er zündete sich eine Zigarette an. Das Gespräch war schnell vorüber gewesen, kaum zehn Minuten hatte es gedauert. Was hatte der Fuchs Jonas vor? Was brütete er aus? Warum bestellte er ihn für den Abend noch einmal? Mit wem besprach er sich jetzt? Nur mit seinen Brüdern? Und was sollte die Anspielung auf Nathanael?
Er stand auf einer leichten Anhöhe und blickte in Richtung Westen, wo die sanften Erhebungen des Frankenwaldes sich silhouettenhaft aus dem Dunst schälten. Das in gleißendheißes, und, wie es im Moment schien, lebensfeindlichesLicht getauchte Land besaß für ihn auf einmal einen unerklärlichen Reiz, eine beinahe faszinierende Anziehungskraft. Vielleicht würde er dieses Land sogar eines Tages lieben. Wenn ihm denn überhaupt noch genügend Zeit dazu verblieb.
Bei Jonas Vandenberg war er ruhig und überlegt gewesen, eine Erklärung dafür hatte er nicht. Möglicherweise spielte der Zorn eine Rolle, möglicherweise lag es aber auch nur an den Tabletten. Doch jetzt begann sich die Anspannung der vergangenen Minuten zu lösen, sein Magen schmerzte, in regelmäßigen Abständen zuckten Nadelstiche durch den Hinterkopf, eine leichte Übelkeit breitete sich aus.
Er ließ die Zigarette fallen, trat sie aus, atmete noch einmal tief durch und entschloß sich, Engler einen weiteren Besuch abzustatten.
Er ging durch die tagsüber nie abgeschlossene Tür, durchschritt die Kapelle, wandte sich dann nach links, durchquerte einen engen kurzen Flur und öffnete, ohne anzuklopfen die Tür zu Englers Büro. Engler saß hinter seinem Schreibtisch und machte sich Notizen auf einem Blatt Papier, die abgegriffene, so oft benutzte Heilige Schrift lag aufgeschlagen daneben. Engler blickte kurz auf, er schien nicht einmal erstaunt über Brackmanns unerwartetes Eintreten.
»Kann ich kurz noch einmal mit Ihnen sprechen?« bat Brackmann.
»Bitte schön, jederzeit. Lassen Sie mich nur noch den Satz zu Ende bringen.« Er deutete mit einem Nicken auf den Sessel. Kurz darauf legte er den Stift beiseite und faltete die Hände über dem Bauch.
»Sie kommen von Jonas Vandenberg?«
»Ja, und deswegen bin ich hier.«
»Und, hatten Sie Erfolg?«
Brackmann seufzte auf. »Ich weiß nicht, was Sie unterErfolg verstehen. Ich soll heute abend wiederkommen. Ich habe offen gestanden ein mulmiges Gefühl, wenn ich an heute abend denke.«
»Er hat Sie für heute abend bestellt?« sagte Engler nachdenklich und fuhr sich mit einer Hand übers Kinn. »Hm, das bedeutet nichts Gutes, das bedeutet wahrhaft nichts Gutes.«
»Sie werden mich nicht gleich umbringen. So etwas kann sich auch ein Vandenberg nicht leisten. Mich kennt schließlich jeder.«
»Die können sich sogar noch mehr leisten. Ich an Ihrer Stelle würde nicht hingehen. Aber ich schätze, Sie lassen sich von mir keinen Rat geben! Warum rufen Sie nicht an und vereinbaren einen Termin in Ihrem Büro? Und lassen Sie Schmidt dabeisein oder irgendeine andere Person Ihres Vertrauens. Aber gehen Sie nicht allein dorthin. Er will nur Zeit schinden. Hören Sie, ich habe einen Fehler gemacht,
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