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Der Finger Gottes

Der Finger Gottes

Titel: Der Finger Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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zurückkehrte. Dann war er für kurze Zeit still und in sich gekehrt, voller Trauer, noch weniger ansprechbar als sonst und gleichzeitig noch unberechenbarer.
    Scherer setzte sich neben Charlie, hievte seinen massigen, unsauberen, nach strengen Ausdünstungen stinkenden Körper auf den Hocker, legte seine riesigen, fleischigen, ölverschmierten Hände auf den Tresen und schickte einen finsteren Blick zu Toni.
    »’n verdammtes Bier und ’n verdammten Klaren dazu!«
    Toni war den rüden Ton von Scherer gewohnt, kaum ein Satz, in dem er nicht zum Gotterbarmen fluchte. Scherer kippte erst den Klaren und anschließend das Bier auf einen Zug in sich hinein.
    »Noch mal!« brummte er und knallte das Glas auf den blanken Stahl.
    »Wie lief das Geschäft heute?« fragte Toni ruhig, während er das leere Glas unter den Zapfhahn hielt.
    »Laß mich verdammt noch mal zufrieden mit diesem gottverdammten Geschäft! Irgendeine gottverdammte Drecksau hat mir hundert Mark geklaut. Wenn ich diesen gottverdammten Hurensohn erwische . . .!« Er ballte die Fäuste, schaute grimmig und zu allem entschlossen drein. Toni stellte das Bier und den Klaren vor ihn. Wieder trank Scherer in einem Zug leer.
    »Noch mal!« brummte er wieder. In weniger als zehn Minuten hatte er fünf Biere und ebenso viele Klare in sich hineingeschüttet.
    Einer der Jungs, der direkt vor der Jukebox saß und von der angespannten Atmosphäre am Tresen nichts mitbekam, warf ein Geldstück in die Wurlitzer und drückte mehrere Titel. Schon bei den ersten Takten stellte Scherer mit gefährlicher Ruhe sein Glas auf den Tresen, knurrte Unverständliches, erhob sich, stampfte auf etwas unsicheren Beinen zur Musikbox und riß den Stecker mit solcher Wucht aus der Wand, daß dabei Teile der Steckdose absplitterten.
    Dann stützte er sich auf den Tisch, um den die Jungs jetzt ängstlich kauerten, ließ seinen Blick von einem zum andern wandern und sagte gefährlich leise: »Wenn ich in diesem gottverdammten Laden zu Gast bin, will ich meine gottverdammte Ruhe haben, und nichts als meine verdammte, beschissene Ruhe! Ich will in Ruhe mein Bier trinken und in Ruhe nachher wieder gehen! Ist das in eure verdammten Schädel eingedrungen, ihr verdammten Hosenscheißer?!Wenn nicht, reiß ich jedem einzelnen von euch die Eier raus und stopf sie euch ins Maul, kapiert?!«
    »Aber . . .«, wagte einer zaghaft zu bemerken, der kleinste und schmächtigste der drei.
    »Is’ was?« Scherer verengte seine Augen zu Schlitzen. Der Junge wurde sofort stumm und sackte auf seinem Stuhl zusammen.
    Scherer war zufrieden mit dem Ergebnis seines Auftritts; er hatte erreicht, was er wollte, er genoß es, Angst zu verbreiten und sie in den Augen der Jungen zu sehen. Die drei standen gleichzeitig auf und schlichen mit gesenkten Köpfen und in weitem Bogen um Scherer herum aus dem Lokal; sie vermieden jeden Augenkontakt mit ihm. Toni kam hinter seinem Tresen hervor und folgte ihnen nach draußen.
    »Hört zu, Jungs«, sagte er, »tut mir leid wegen eben. Aber wenn der so betrunken ist, bin auch ich machtlos. Ihr könnt natürlich jederzeit wiederkommen, klar? Und das nächste Mal geht alles auf meine Rechnung.« Er zwinkerte ihnen aufmunternd zu, und der Wortführer der drei sagte mit noch zittriger Stimme: »Ist schon okay.«
    »Ist das vielleicht die Kundschaft, die du jetzt hast?« fragte Scherer mit verächtlich heruntergezogenen Mundwinkeln, als Toni zurückkam.
    »Zumindest gehören sie dazu! Ich sage ja auch nichts gegen dich, Scherer! Aber eins laß dir gesagt sein – meine Kundschaft lasse ich mir von dir nicht vergraulen! Deswegen will ich dich in der nächsten Zeit hier nicht sehen!«
    »Soll das etwa heißen, du willst mir verbieten . . .«
    »Genau das«, unterbrach ihn Toni wütend. »Denn ich lebe von meinem Lokal so wie du von deiner Werkstatt! Zu mir kann jeder kommen, solange er friedlich ist.«
    »Ach, halt’s Maul! Wegen diesen verdammten Hurensöhnen werde ich mich doch nicht weiter . . .« Seine schmutzigenHände umkrampften das Bierglas, er hielt mitten im Satz inne, starrte Toni mit großen Augen an, kalkweiß unter seiner braunen Haut, wie in Zeitlupe rutschte er vom Hocker, und der schwere Körper schlug mit einem dumpfen Knall auf den Boden. Das Glas glitt aus seiner Hand und zersplitterte neben seinem Gesicht.
    »Mein Gott, was ist denn jetzt los?« rief Toni und kam um den Tresen gerannt. Charlie und Willy starrten teilnahmslos auf den wie leblos daliegenden

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