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Der Finger Gottes

Der Finger Gottes

Titel: Der Finger Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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Menge Hilfe beim Bergen und Versorgen der Verletzten benötigen. Wären Sie eventuell bereit . . .?«
    »Ja, ich werde helfen. Ihnen und allen, die in diesem verdammten Nest Hilfe brauchen! Selbst wenn das Schwein darunter sein sollte, das –«
    »Ich hoffe, er ist nicht darunter«, unterbrach er sie.
    Sie wandte ihren Kopf ein wenig und sah Brackmann an,der nur in Umrissen zu erkennen war. »Mir ist übrigens etwas eingefallen. Der Mann, ich habe die ganze Zeit nachgedacht, woher ich ihn kennen könnte, und ich bin immer sicherer, daß ich ihn kenne. Es kann zwar sein, daß ich mich täusche, aber ich habe schon seit längerem das Gefühl, beobachtet zu werden. Egal wo ich bin, im Supermarkt, in der Bücherei, oder wenn ich nach Hause gehe. Aber ich habe dem nicht viel Beachtung geschenkt, ich habe es nur registriert.«
    »Können Sie ihn beschreiben? Sein Gesicht, was für Kleidung trägt er?«
    »Beschreiben? Nicht richtig. Er ist etwa einsfünfundsiebzig, einsachtzig, dunkle Brille, schlank, sehr schlank, und wenn ich mich nicht täusche, dann hat er das Gesicht voller Pickel.«
    »Eine dunkle Brille, sagen Sie? Wie dunkel? Die Gläser oder nur das Gestell?«
    »Das Gestell, ich glaube, es ist nur das Gestell, es ist ein schwarzes, ich denke viereckiges . . .«
    »Und er hat das Gesicht voller Pickel? Frau Siebeck, das ist doch schon eine ganze Menge! Was glauben Sie, wie viele junge Männer es in Waldstein und Umgebung gibt, auf die eine solche Beschreibung zutrifft?! Was Sie mir gesagt haben, muß aber vorerst unter uns bleiben: Überlassen Sie einfach alles, was jetzt noch kommt, mir. Bitte!«
    »Natürlich.«
    »Ich werde den Kerl finden, das verspreche ich Ihnen. Wissen Sie, ich habe einen Vater gehabt, der . . . er war einfach nur ein übles Stinktier. Ich kann mich an kaum einen Tag erinnern, an dem er meine Mutter nicht verprügelt und Schlimmeres mit ihr gemacht hat.« Er seufzte.
    »Sie ist daran zerbrochen.«
    »Das tut mir leid.«
    »Es ist lange her.«
    Brackmann leuchtete seine Armbanduhr an. Es war genau 2.00 Uhr.
    »Ich werde nach oben gehen und mal einen Blick auf die Straße werfen. Warten Sie bitte hier auf mich, ich bin gleich zurück.«
    »Ich komme mit.«
    Sie verließen den Kellerraum, stiegen die Treppe hoch; die beiden anderen Männer blieben unten.
    Brackmann ließ den Strahl der Taschenlampe über die Straße und die im Lichtkegel sichtbar werdenden Häuser wandern. Der Anblick übertraf seine schlimmsten Befürchtungen, der Ort war ein Bild der Verwüstung. Der Tornado hatte ganze Arbeit geleistet.
    Auf der Straße schaukelten zerbeulte Autos mit noch sich drehenden Rädern nach oben, überall Bretter, Dachziegel und Steine, Balken, zerbrochenes Glas, Kühlschränke und Waschmaschinen, Fahrräder und Werkzeug, zerbrochene Lampen und auseinandergerissene Schränke, Sofas, Straßenlaternen, eine zerrissene Fahne flatterte laut knatternd an einem umgestürzten Mast im Wind. Nach und nach füllte sich die Straße mit Menschen, Taschenlampen flammten auf, Sturzbäche, die die ausgetrocknete harte Erde noch nicht aufzunehmen imstande war.
    »Mein Gott!« sagte Angela Siebeck mit ungläubigem Blick.
    »Das ist ja wie Krieg!«
    Brackmann antwortete nicht darauf, faßte Angela Siebeck unterm Arm, zusammen wateten sie durch die Wassermassen zu seinem Büro. Fensterrahmen und Türen wurden vom Wind gegen Wände geschlagen, immer wieder krachten Mauer- oder Dachteile zur Erde. Kinder weinten, Frauen weinten, Männer weinten, alle weinten, manche schrien, manche trauerten tränenlos.
    Eine Hand zerrte von hinten an Brackmanns Schulter. »Haben Sie meine Frau gesehen? Mein Gott, sie wird dochnoch leben, oder?« Die Stimme gehörte zu Buchner, dem Leiter des Supermarktes. Sein grimassenhaft verzerrtes Gesicht suchte kurz nach einer Antwort in Brackmanns Augen, sein Blick irrte ziellos umher, gehetzt, verzweifelt, verwirrt. Dieser Hüne, mit Händen, so groß, als könnte er damit einen Baum umknicken, dieser Riesenkerl stand nun gebückt vor Brackmann, das Gesicht von Regen und Dreck verschmiert, sein rechter Arm hing unnatürlich verwinkelt vom Körper ab, das rechte Bein zog er nach, er war nicht in der Lage, aufrecht zu gehen, doch Buchner schien den Schmerz nicht zu spüren, stand unter Schock. Ohne eine Antwort abzuwarten, humpelte er gleich weiter, auf der Suche nach seiner Frau, sein Inneres wehrte sich verzweifelt gegen den Gedanken, daß sie vielleicht tot war, begraben unter dem

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