Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Finger Gottes

Der Finger Gottes

Titel: Der Finger Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
Vom Netzwerk:
nicht träumen lassen, daß wir eines Tages so ein Unwetter erleben würden. Ich dachte immer, so was passiert nur woanders. Und jetzt?! Ich habe ja noch mal Glück gehabt, aber man darf gar nicht zu sehr darüber nachdenken! Vorhin gab es eine brenzlige Situation, da hab ich fast gedacht, der junge Pfeiffer springt Engler an die Gurgel. Ich fürchte, unser Pfarrer und die Kirche sind nach der letzten Nacht bei einigen erst mal unten durch. Die Leute haben ihre Probleme, ein paar Dinge auf die Reihe zu kriegen.«
    »Engler hat sich das mit Sicherheit sowenig gewünscht wie wir«, sagte Brackmann mit vollem Mund.
    Toni erwiderte nichts darauf. Er starrte unverwandt aus dem Fenster. »Es ist schon wieder so verflucht heiß. Man möchte gar nicht glauben, daß es fast die halbe Nacht wie aus Kübeln geschüttet hat.«
    »Wird wohl für längere Zeit auch der letzte Regen gewesen sein.«
    »Hm«, war der einsilbige Kommentar von Toni. Brackmann aß den Teller leer, trank sein Bier und griff in seine Hosentasche, um zu bezahlen. Toni schüttelte nur den Kopf. »Lassen Sie stecken. Heute geht das auf meine Kosten«, sagte er, und auf Brackmanns fragenden Blick: »Ich habe letzte Nacht mehr Glück gehabt als die meisten. Schätze, ich bin irgendwie was schuldig. Weiß zwar nicht, wem, aber . . .«
    »Danke, Toni. Es hat auch wirklich gut geschmeckt. Und wenn unser Prophet Willy auftauchen sollte, geben Sie ihm ein Bier von mir. Ich bezahl’s morgen mit.«
    Brackmann trat auf die Straße. Es war heiß, aber anders als am Vortag. Nicht drückend und atembeklemmend, sondern gewohnt trocken-heiß. Die Luftfeuchtigkeit hatte sich auf knapp dreißig Prozent reduziert. Der Horizont flimmerte inder Hitze, das Innere des Streifenwagens hatte sich trotz der geöffneten Fenster aufgeheizt. Brackmann lehnte sich gegen den Wagen, zündete sich eine Zigarette an. Während er rauchte, versuchte er, sich die Fragen für Engler zurechtzulegen, aber es blieb bei Versuchen; eine Mauer in seinem Kopf blockierte klare konkrete Gedanken. Dazu die Übermüdung, dieses leichte Zittern in Armen und Beinen, der spürbare, etwas zu schnelle Herzschlag, der leichte Druck im Kopf. Die ersten Symptome einer Attacke. Die Wirkung der am Morgen eingenommenen Pillen ließ nach. Er schloß für einen Moment die Augen, befahl sich, die Nerven zu behalten, die Attacke diesmal nicht zuzulassen, Herr über sich zu sein, nur dieses eine Mal. Er konnte sich jetzt keinen Anfall leisten, nicht auszudenken, würde der Leutnant ihn so sehen!
    Schmidt kam über die Straße auf Brackmann zu: »Ich hab eben drei Typen eingebuchtet. Sie wollten plündern. Was machen wir mit ihnen?«
    »Wer ist es?« fragte Brackmann, den Blick zu Boden gerichtet; er hoffte, Schmidt würde seinen im Augenblick katastrophalen Zustand nicht bemerken. Schmidt war der letzte, der Verständnis dafür aufgebracht hätte.
    »Keine Ahnung, noch nie zuvor hier gesehen.«
    »Haben sie gesagt, woher sie kommen?«
    »Keiner von denen hat das Maul aufgemacht. Aber ich bin ja auch eben erst mit ihnen reingekommen. Vielleicht kriegen Sie was aus ihnen heraus.«
    »Nein, danke, kein Bedarf. Übergeben Sie sie Leutnant Bürger. Ich habe keine Lust, mich jetzt auch noch mit diesem Gesindel abzugeben. Sie finden mich bei Engler.«
    Er ließ die Zigarette auf die Straße fallen, drückte sie mit der Fußspitze aus, öffnete die Wagentür, setzte sich auf den heißen Sitz und fuhr nach Hause. Er nahm eine Pille und spülte sie mit einem Schluck Bier runter.

Kapitel 27
    Engler war damit beschäftigt, den Altar zu schmücken, als Brackmann die Kirche betrat.
    »Ich fange schon mal an, die Kapelle für die Trauerfeier vorzubereiten. Ich will, daß es dem Rahmen entsprechend aussieht. Ich hoffe nur, daß das kaputte Fenster noch vorher ersetzt wird. Aber ich denke, wir sollten besser in mein Büro gehen.« Engler strich noch einmal über die weiße Decke mit Goldbrokatrand, die er, kurz bevor Brackmann erschienen war, auf den Altartisch gelegt hatte, prüfte ihren korrekten Sitz, ging dann vor Brackmann in sein Arbeitszimmer. Er blieb vor dem Schreibtisch stehen und deutete auf einen der Sessel. »Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
    Brackmann schüttelte den Kopf. »Danke, aber ich komme gerade von Toni.« Er setzte sich, schlug die Beine übereinander, faltete die Hände und blickte genau auf die Nasenwurzel von Engler. Engler wich dem Blick aus, er war sichtlich nervös. Er ging zum Schrank und holte

Weitere Kostenlose Bücher