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Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert

Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert

Titel: Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loretta Napoleoni
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öffentlichen Lebens liegt dort in den Händen der Eliten. Und wie es der Zufall so will, stoßen wir auch in Israel auf diese Kaste der Herrschenden – ein Widerspruch in sich, wenn man bedenkt, dass Israel noch vor sechzig Jahren das Land der Kibbuzim war. Im europäischen Mittelmeerraum zeigt sich ein ähnliches Bild: Auch hier gibt es ganze Clans, die die Schlüsselstellungen einnehmen und sie mit einer Selbstverständlichkeit unter sich weitervererben, die der alten Aristokratie in nichts nachsteht. Sehen wir uns doch einmal das Organigramm einer italienischen Universität an.
    Anfang 2010 legt Gianmarco Daniele, ein Student aus Bari, seine Magisterarbeit vor. Sie trägt den Titel »L’università pubblica italiana: qualità e omonimia tra i docenti« (»Die italienische Universität: Qualifikation der Dozenten und ihre Namensgleichheit«). Darin steht zu lesen, dass zum Beispiel an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bari 42 von 176 Dozenten (also etwa 25 Prozent) miteinander verwandt oder verschwägert sind. Eine der bedeutendsten universitären Dynastien ist die Familie Massari, lauter Handelsrechtsexperten. Sie stellt acht Dozenten, die erklären, ihre Posten über »durch und durch reguläre Stellenausschreibungen« erhalten zu haben.
    Dabei ist Bari kein Einzelfall, wie Sabrina Giannini in der Sendung »Report« vom 15. Mai 2011 berichtet: »Das Durch schnittsalter der ordentlichen Professoren in Italien liegt bei 58 Jahren. Sie erhalten ihren Lehrstuhl im Durchschnitt fünf zehn Jahre später als ihre europäischen Kollegen. Es gibt nur elf C4-Professoren in Italien, die jünger als 35 sind, das sind 0,05 Prozent. Manche Karrieren verlaufen allerdings sehr steil. Normalerweise erklimmt man die erste Stufe der Karriereleiter, die des Ricercatore [wörtlich: »Forscher«, Assistenzprofessor in Italien], im Alter von durchschnittlich 38 Jahren – und selbst das gilt nur für wenige Glückspilze. Gianmarco Tosi hingegen hat bereits mit 32 einen Wettbewerb um eine Ricercatore-Stelle im Bereich ›Krankheiten des Sehapparats‹ gewonnen. Seine besondere Qualifikation? Nun, er ist der Sohn von Rektor Tosi, der die Universität Siena in eine Rekordverschuldung hineinmanövrierte, unter anderem, weil er so viele neue Stellen ausschrieb. Auch Andrea Lenzi, Tochter des Präsidenten des Nationalen Hochschulrats (Consiglio Universitario Nazionale), war erst 25, als sie ihre Stelle als Assistenzprofessorin bekam!«
    Die Tageszeitung La Repubblica hat eine Kennziffer entwickelt, welche die prozentuale Namensgleichheit an den Universitäten abbildet. Wie stark ist die Vetternwirtschaft an Italiens Hochschulen? Die Ergebnisse sind besorgniserregend. An bestimmten Hochschulen liegt diese Zahl deutlich über dem nationalen Durchschnitt. Das gilt für Catania, Messina, Neapel (Universität Federico II), Palermo, Bari, Caserta, Sassari und Cagliari. Die in dieser Hinsicht korrektesten Universitäten sind Trient, Padua, die Technische Hochschule Turin, Verona, Mailand und Bicocca. Auch diese Informationen stammen aus der Sendung »Report«.
    »An der Universität von Foggia ist Antonio Musco bis zum 31. Oktober Rektor der Universität. Noch am 30. Oktober wird sein Sohn zum Assistenzprofessor ernannt. Er ist Italiens erster Ricercatore für angewandte Wirtschaftswissenschaften, der an einer Fakultät für Agrarwissenschaft lehrt. In Modena wird mit Giovanni Pellacani, Sohn des ehemaligen Rektors Giancarlo Pellacani, ein C2-Professor für Dermatologie ordentlicher Professor für Zahnmedizin. In Bologna wird Alessandra Ruggeri mit 35 Jahren C2-Professorin für Anatomie, obwohl sie lediglich einen Magisterabschluss in Zahnmedizin hat. Das klingt nur so lange merkwürdig, als man nicht weiß, dass Papa Alessandro Ordinarius an derselben Fakultät ist. Luigi Frati, seit 2008 Rektor der Universität La Sapienza in Rom, braucht sich nicht von seiner Familie zu verabschieden, wenn er morgens das Haus verlässt: Er sieht sie alle an der Universität wieder, wo jeder von ihnen einen prestigeträchtigen ordentlichen Lehrstuhl innehat – an der Medizinischen Fakultät wohlgemerkt, deren Präsident er sechzehn Jahre lang war, bevor er zum Rektor der Universität gewählt wurde.
    Paola Frati, Luigis Gattin, wird mit 38 Jahren ordentliche Professorin für Gerichtsmedizin an der Universität La Sapienza, obwohl sie ihren Abschluss in Jura gemacht hat. Damit ist sie ein echtes Unikum unter den italienischen

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