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Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert

Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert

Titel: Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loretta Napoleoni
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Phänomen.
    Was bedeuten diese Zahlen? Dass der Reichtum nicht gerecht verteilt wird und in den Taschen einiger weniger landet. Dies ist überall der Fall, auch in den demokratischen Vereinig ten Staaten. Der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz berichtet, dass 1 Prozent der amerikanischen Bevölkerung 40 Prozent der nationalen Vermögenswerte besitzt. Vor 25 Jahren war das noch anders: Damals besaßen 12 Prozent der wohlhabendsten Bürger 33 Prozent des Vermögens. Was die wirtschaftliche Ungleichheit angeht, stehen die USA heute auf gleicher Stufe mit dem Russland der Oligarchen sowie ihrem Erzfeind, dem Iran. Was ist da passiert?
    Fast alle Senatoren und ein Großteil der Mitglieder des amerikanischen Kongresses gehören inzwischen – zusammen mit den Leuten, die ihre Wahlkampagnen finanzieren – zu besagtem einen Prozent der Wohlhabenden. Auch ein großer Teil der Exekutive liegt in den Händen dieser Elite. Wir brauchen uns also nicht zu wundern, schreibt Stiglitz, wenn die Pharmaziekonzerne in den Vereinigten Staaten ein Geschenk von tausend Milliarden Dollar erhalten – weil im Kongress ein Gesetz verabschiedet wird, das es dem Staat (dem wichtigsten Kunden) unmöglich macht, über die Preise zu verhandeln. So platzt der amerikanische Traum, der Mythos einer ganzen Nation wird als Farce entlarvt: der Mythos der Gleichheit. Ebendeshalb fürchtet man auch jenseits des Atlantiks die Ausweitung des demokratischen Flächenbrandes.
    Dass westliche Politiker sich mittlerweile willig dem Geldadel unterordnen, ist schon an ihren Beziehungen zu den Großbanken abzulesen. Um zu begreifen, wer es ist, der da über das Schicksal ganzer Nationen entscheidet, begeben wir uns kurz nach Deutschland, der wirtschaftlichen Lokomotive der Europäischen Union. Im ersten Quartal 2011 macht die Deutsche Bank, die einen beträchtlichen Teil der griechischen Staatsanleihen hält, einen Gewinn von 3,5 Milliarden Euro, Rekordzahlen also, die 2012 noch steigen dürften. (Im vierten Quartal 2011 verzeichnete sie einen Verlust wegen der Griechenland-Abschreibungen, der Gewinn belief sich auf 4,3 Milliarden Euro.) Dies alles etwa drei Jahre nach der Schuldenkrise und zu einer Zeit, in der Griechenland, Portugal, Irland, Spanien und Italien Gefahr laufen, aufgrund ihrer Schulden bei den internationalen Banken Bankrott anmelden zu müssen. Zu diesen gehört auch die Deutsche Bank. Worin also besteht der Trick?
    Das Wunder – denn so muss man es nennen in einem historischen Moment, da die schwindelerregenden Gewinne der Deutschen Bank nicht mehr anders erklärbar scheinen als durch ein Einwirken göttlicher Gnade – haben Männer wie Josef Ackermann vollbracht, der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank. »Die Ernte einbringen« nannte Ackermann das Einstreichen des erreichten Profits. Er sprach die Sprache der Bauern. Und dies, obschon die Regierung der Vereinigten Staaten die Deutsche Bank gerügt hat wegen ihres verantwortungslosen Verhaltens bei der Vergabe von Subprime-Hypotheken an die amerikanischen Bürger, dafür also, dass sie am Aufblähen der Spekulationsblase fleißig mitgewirkt hat. Ist es möglich, dass sich Ackermanns »Ernte« aus den Ersparnissen der Amerikaner, den Steuern der Europäer, den Opfern der Griechen und den Sparanstrengungen der Portugiesen zusammensetzt? Was für einen Sinn hat es, eine »Ernte« von 4,3 Milliarden Euro »einzubringen«, wenn rundherum die Länder in Flammen stehen und die Städte kollabieren, weil den PIIGS-Staaten die Pleite droht und Europa das Feuer der Revolution?
    Gefeierte Banker wie Ackermann, Stammgäste in Davos, sind die Eckpfeiler des internationalen Finanzsystems, auf denen das korrupte politische Regime der westlichen Eliten ruht. In den letzten zwanzig Jahren gerieten alle westlichen Länder, auch wohlhabende wie Deutschland und Holland, in ein brutales Abhängigkeitsverhältnis vom internationalen Kapitalmarkt. Hat ein Staat hier keinen Zugang, wird er sozusagen ausgebremst. Ackermann und eine Hand voll seiner dunkel gewandeten Klone, die an der Spitze der internationalen Großbanken stehen, halten die Schlüssel zum Safe in Händen. Sie entscheiden, wer zu den internationalen Finanzmärkten Zugang hat und wer (wie Griechenland, Portugal und Irland) abgewiesen wird. Sie entscheiden über die Bedingungen. Nur gehört der Safe nicht einer Privatperson, sondern der ganzen Nation, dem Volk. Es ist unser Safe!
    Zusammen mit den Ratingagenturen, die der Lehman-Bank noch an

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