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Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert

Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert

Titel: Der Flächenbrand der Empörung - wie die Finanzkrise unsere Demokratien revolutioniert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loretta Napoleoni
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dem Tag, an dem sie Insolvenz anmelden musste, die Bonitätsnote AAA verliehen, verfügen die internationalen Banken über die Macht, eine Nation in den Abgrund zu stoßen oder sie vor dem Ruin zu bewahren. Diese Macht fußt auf dem Geld, das wir ihnen anvertraut haben. Im August 2011 befanden sich die Märkte im freien Fall, weil die USA ihr AAA-Rating verloren – ein harter Schlag, den ihnen Standard & Poor’s versetzt hat. Tatsächlich sind es die Ratingagenturen, die heute die Abwehrkräfte gegen die Ansteckung mit dem Krisenvirus kontrollieren. Manchmal verfügen die Staaten über eine geringe Anzahl Antikörper. Italien zum Beispiel: Zuerst geht im Juni 2011 der Economist zum Angriff über, indem er Berlusconi beschuldigt, das Land ruiniert zu haben. Im Juli legt Moody’s nach und setzt achtzehn Banken auf die Liste jener Unternehmen, deren Rating einer Überprüfung bedarf. Außerdem äußert die Agentur Zweifel daran, dass Italien in der Lage ist, einen derart großen Schuldenberg abzutragen. Im Verlauf eines Wochenendes nimmt die »Italienkrise« ihren Anfang, und die Schuldenkrise geht in den nächsten Akt. Krisensitzungen der Wirtschaftsminister in Brüssel, Erklärungen von allen Seiten – und die Bevölkerung? Verblüfft und besorgt nimmt sie die jüngste Ohrfeige der Märkte hin und bereitet sich darauf vor, einmal mehr einen steuerlichen Aderlass über sich ergehen zu lassen.
    Über das Schicksal der Welt entscheiden nicht etwa Washington oder Brüssel, sondern der exklusive Club der Hochfinanz und Ratingagenturen, zu dem nur zugelassen wird, wer zu den 0,1 Prozent der Superreichen unseres Planeten zählt. Wer hier dazugehört, entzieht sich jedoch der Kontrolle durch das Volk.
    Keine Regierung kann es sich leisten, auf Konfrontationskurs mit diesen Leuten zu gehen, indem sie etwa die Unternehmen, die ihnen gehören, oder gar ihr Privatvermögen besteuert. Oder die Transaktionen der Banken, für die sie arbeiten. Diese Leute stehen sozusagen über dem Gesetz. Das ist auch der Grund dafür, dass die Regierungen der Welt seit vier Jahren darüber diskutieren, wie der Finanzmarkt zu regulieren ist, ohne dass es je zu einer einstimmigen Entscheidung kommt. Selbst wenn man heute die Mitglieder des Clubs dazu zwingen wollte, für ihre Fehler einzustehen, so würde das zu nichts führen. Ein großer Teil ihres Vermögens verteilt sich nämlich über die unüberschaubaren Fäden eines gewaltigen Spinnennetzes von Briefkastenfirmen, die in irgendeinem Steuerparadies der Welt ansässig sind.
    Wer die Priester der Hochfinanz herausfordern will, muss bereit sein, eine Kurswendung um 180 Grad zu vollziehen und ohne Kredite auszukommen. In jüngerer Zeit haben dies Island und Argentinien gewagt – mit beträchtlichen sozialen Folgen. In der Vergangenheit haben zwei Weltkriege die Privilegien dieser Klasse ausgehöhlt: Wir haben mit zahllosen Menschenleben dafür bezahlt. Muss es wirklich erst wieder so weit kommen, damit die Gerechtigkeit endlich siegt? Sogar das reiche Deutschland kann nicht ohne Kredite existieren: Es ist von der Bewertung der Ratingagenturen abhängig, die es jederzeit abstrafen können, da seine Banken ja in Griechenland und den PIIGS-Staaten engagiert sind. Da genügt eine Andeutung gegenüber der Presse, eine außerordentliche Überprüfung der Lage der Banken (wie im Falle Italiens durch Moody’s), und schon steigen die Zinsen der Staatsverschuldung um kostbare Prozentpunkte, und eine ohnehin schon unpopuläre Regierung gerät in die Krise.
    Und die Moral von der Geschicht’? Ist die: Unsere Demokratien sind Gefangene. Sie werden nicht nur von Oligarchen beherrscht, sondern sind Geiselnehmern in die Hände gefallen und werden von der internationalen Hochfinanz dirigiert. Und wir, die wir von einem kollektiven Stockholm-Syndrom befallen sind, hoffen weiter, dass unsere Geiselnehmer uns vor der wirtschaftlichen Katastrophe retten. Und falls diese Metapher Sie nicht aufzurütteln vermag, möchte ich eine zweite bemühen: Man muss sich die Situation so vorstellen, als würde ein Land von einer fremden Macht erobert, ohne dass die Bevölkerung es merkt. Wir alle sind mittlerweile Leibeigene der Aristokratie der Mächtigen. Und so haben wir am Ende doch noch etwas gefunden, was die Nationen rund um das Mittelmeer eint: die Herrschaft skrupelloser Diktatoren der Politik und des Geldes.
    Ein politisches Desaster, das vorhersehbar war.
    Die Schwäche des mediterranen Staats
    Alle

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