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Der Fledermausmann

Der Fledermausmann

Titel: Der Fledermausmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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erwiderte Harry und massierte sich die Hand. Diese australischen Begrüßungen würden ihm noch den letzten Nerv rauben. Laut Andrew drehte es sich dabei insbesondere darum zu beschreiben, wie unglaublich gut es einem ging. Ein einfaches »Danke, es geht mir gut« konnte leicht als Beleidigung aufgefaßt werden.
    Toowoomba zeigte mit seinem Daumen auf Andrew.
    »Apropos Grobian, hat Tuka dir erzählt, daß er selbst einmal für Jim Chivers geboxt hat?«
    »Es scheint noch eine Menge Dinge zu geben, die ich von . . . äh, Tuka nicht weiß. Er ist ein recht geheimnisvoller Kerl.«
    »Geheimnisvoll?« Toowoomba lachte. »Es ist immer alles anders gemeint, als er es sagt. Tuka erzählt dir alles, was du wissen mußt, vorausgesetzt du weißt, auf was du achten mußt. Aber er hat dir natürlich nicht gesagt, daß man ihm geraten hat, bei Chivers aufzuhören, weil man ihn als zu gefährlich ansah? Wie viele Wangenknochen, Nasenbeine und Kiefer hast du auf dem Gewissen, Tuka? Er galt über viele Jahre hinweg als New South Wales' größtes Boxtalent. Aber er hatte ein Problem. Er war zu unbeherrscht – er hatte überhaupt keine Disziplin. Zu guter Letzt hat er sogar einen Schiedsrichter niedergeschlagen, weil er meinte, der habe einen Kampf zu früh abgebrochen. Zu Tukas Gunsten! Das nenne ich blutrünstig. Tuka wurde für zwei Jahre suspendiert.«
    »Dreieinhalb, danke !« Andrew grinste. Er hatte ganz offensichtlich nichts dagegen, daß der andere seine Karriere als Boxer vor Harry ausbreitete. »He was a real drongo, I tell you. Ich habe diesen Schiedsrichter nur ganz leicht gestubst, aber, du glaubst es nicht, dieser Kerl stolperte und brach sich das Schlüsselbein.«
    Toowoomba und Andrew lachten herzlich und klatschten ihre Handflächen aneinander.
    »Robin war gerade erst auf der Welt, als ich boxte. Er zitiert nur, was ich ihm selbst erzählt habe«, erklärte Andrew. »Robin gehörte zu einer Gruppe Kinder aus schwierigen Verhältnissen, um die ich mich kümmerte, wenn ich Zeit hatte. Wir trainierten Boxen, und auch um den Kindern die Bedeutung von Selbstkontrolle klarzumachen, habe ich ein paar halbwahre Geschichten aus meiner eigenen Zeit erzählt. Als Abschreckung und Warnung. Robin hier hat nur leider einiges falsch verstanden, er eifert mir nach.«
    Toowoomba wurde plötzlich ernst.
    »Normalerweise sind wir ganz liebe Jungs, Harry. Wir lassen sie ein paarmal zuschlagen, bevor wir selbst ein paar leichte Treffer setzen, damit sie begreifen, wer im Ring das Sagen hat, verstehst du? Danach dauert es in aller Regel nicht mehr lange, bis sie aufgeben. Aber dieser Kerl da draußen konnte ja boxen, er hätte jemanden verletzen können. Solche Kerle kriegen doch nur, was sie wollen.«
    Die Tür ging mit einem Schwung auf: »Scheiße, Toowoomba, als wenn wir nicht schon genug Probleme hätten, mußtest du wirklich dem Schwiegersohn des hiesigen Polizeichefs das Nasenbein brechen?« Terry, der Ansager, sah höchst unzufrieden aus, und er unterstrich das, indem er auf den Boden spuckte.
    »Reiner Reflex, Chef«, entgegnete Toowoomba und blickte auf den kautabakbraunen Klecks Spucke. »Das wird nicht wieder vorkommen.« Er zwinkerte heimlich Andrew zu.
    Sie erhoben sich. Toowoomba und Andrew umarmten einander und wechselten noch ein paar Worte in einer Sprache, von der Harry wirklich gar nichts verstand. Er selbst beeilte sich, Toowoomba auf die Schulter zu klopfen, um einem weiteren Händeschütteln zu entgehen.
    »Was war das eben für eine Sprache?« fragte Harry, nachdem sie sich ins Auto gesetzt hatten.
    »Ach das. Das war Kreol, eine Mischung aus Englisch und Aborigineworten. Viele Aborigines im ganzen Land sprechen das. Wie fandest du das Boxen?«
    Harry wußte nicht so recht.
    »Es war interessant zu beobachten, wie du ein paar Dollar verdient hast, aber wir könnten jetzt in Nimbin sein.«
    »Wenn wir heute nicht hierhergefahren wären, könntest du heute abend nicht in Sydney sein«, sagte Andrew. »Man macht mit einer solchen Frau kein Rendezvous, um dann einfach nicht zu kommen. Wir reden hier vielleicht über deine zukünftige Frau und Mutter kleiner Holys, Harry.«
    Beide mußten sie lächeln, während sie Bäume und flache Häuser passierten und im Westen die Sonne unterging.
     
    Noch bevor sie Sydney erreichten, wurde es dunkel, aber der Fernsehturm in der Mitte der Stadt, der wie eine riesige Glühbirne aussah, wies ihnen den Weg. Andrew hielt am Circular Quay, unweit vom Opernhaus, an. Eine Fledermaus

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