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Der Fledermausmann

Der Fledermausmann

Titel: Der Fledermausmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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junger Leute kam erst in den achtziger Jahren, als die Arbeitslosigkeit in Schweden zu steigen begann.«
    »Und ich habe geglaubt, ihr Schweden vermißt eure Fleischklößchen und den Mitsommernachtsbaum schon, bevor ihr Helsingör erreicht.«
    »Du mußt da was mit den Norwegern verwechselt haben. Ihr seid doch verrückt! Die Norweger, die ich hier unten getroffen habe, haben alle schon nach ein paar Tagen Heimweh bekommen, und nach zwei Monaten waren sie alle wieder zu Hause. Heim zum Norwegerpulli.«
    »Nur nicht Inger?«
    Birgitta wurde still.
    »Nein, Inger nicht.«
    »Weißt du, warum sie hier unten blieb?«
    »Wohl aus dem gleichen Grund wie die meisten von uns. Man kommt in den Ferien hierher, verliebt sich in das Land, in das Klima, in das unkomplizierte Leben oder irgendeinen Kerl. Man versucht, eine erweiterte Aufenthaltsbewilligung zu bekommen. Mädchen aus Skandinavien haben in der Regel keine Probleme, in einer australischen Bar Arbeit zu finden, und plötzlich ist es so weit bis nach Hause und so einfach zu bleiben.«
    »War das bei dir auch so?«
    »So oder so ähnlich.«
    Sie aßen eine Weile schweigend. Das Curry war gut, stark und kräftig.
    »Weißt du etwas über Ingers neuen Freund?«
    »Er war, wie gesagt, einmal abends in der Bar. Sie hat ihn in Queensland kennengelernt. Auf Fraser Island, glaube ich. Er sah aus wie diese Hippies, von denen ich geglaubt hatte, sie seien längst ausgestorben, aber hier in Australien gibt es sie immer noch, als wenn in der Zwischenzeit nichts geschehen wäre. Lange Haare mit Zöpfchen, bunte, weite Gewänder und Sandalen. Er sah aus, als käme er geradewegs vom Strand von Woodstock.«
    »Woodstock liegt im Landesinneren. In New Jersey.« »Aber gab es da nicht einen See, in dem man baden konnte? Ich meine, ich hätte so etwas gehört.«
    Harry schaute sie genauer an. Sie saß etwas nach vorne gebeugt da und konzentrierte sich auf das Essen. Die Sommersprossen auf ihrem Nasenrücken schienen fast zusammengewachsen zu sein. Harry fand sie sehr anziehend.
    »Du brauchst doch so was nicht zu wissen. Du bist zu jung.«
    Sie lachte. »Und du, was bist du – ein Opa?«
    »Ich? Ja, vielleicht, an manchen Tagen bin ich das wohl. So etwas bringt die Arbeit manchmal mit sich – irgendwo innerlichwird man da viel zu schnell alt. Aber hoffentlich bin ich noch nicht so desillusioniert und ausgedient, daß ich mich nicht hin und wieder lebendig fühle.«
    »Oh, du Armer . . .«
    Harry mußte lächeln. »Du kannst glauben, was du willst, aber ich sage das nicht, um an deine Muttergefühle zu appellieren – auch wenn das vielleicht gar keine so schlechte Idee wäre – das ist einfach so.«
    Der Kellner ging am Tisch vorbei, und Harry nutzte die Gelegenheit, um noch eine Flasche Perrier zu bestellen.
    »Jedesmal, wenn man die Geschichte eines Mordes untersucht, ist man selbst irgendwie ein wenig betroffen und verletzt. Außerdem finden sich da im verborgenen immer noch viel mehr menschliche Scheiße und traurige Schicksale und viel weniger ausgetüftelte Motive, als man nach all den Agatha-Christie-Romanen glauben mag. Anfangs habe ich mich selbst als eine Art Ritter der Gerechtigkeit angesehen, aber manchmal fühle ich mich jetzt eher wie ein Müllmann. Mörder sind meistens jämmerliche Gestalten, und es ist nur selten wirklich schwierig, mindestens zehn gute Gründe dafür zu finden, warum sie so geworden sind, wie sie sind. In der Regel endet es damit, daß man an erster Stelle ganz einfach frustriert ist. Frustriert darüber, daß sie sich nicht damit begnügen, ihre eigenen Leben zugrunde zu richten, sondern daß sie auch noch andere mit in die Tiefe reißen müssen. Das hört sich immer noch ein bißchen sentimental an, oder . . .«
    »Sorry, das sollte nicht zynisch klingen. Ich verstehe, wie du das meinst«, sagte sie.
    Ein warmer Windhauch wehte von der Straße herein, und die Kerze zwischen ihnen begann zu flackern.
    Birgitta erzählte von sich und ihrem Freund, wie sie damals vor vier Jahren in Schweden ihre Rucksäcke gepackt hatten und als backpackers losgefahren waren, von ihrer Tour mit dem Bus und per Autostop von Sydney nach Cairns, von den Übernachtungen im Zelt und in billigen Hotels, in denen siespäter auch am Empfang und in der Küche gejobt hatten und davon, wie sie am Great Barrier Reef mit Schildkröten und Hammerhaien um die Wette geschwommen waren. Sie hatten am Ayers Rock meditiert, Geld gespart für den Zug von Adelaide nach Alice Springs, waren

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