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Der Fledermausmann

Der Fledermausmann

Titel: Der Fledermausmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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gehen. Sie hatte genickt und »natürlich« gesagt.
    Im Fenster sah er sein doppeltes Spiegelbild, und er dachte, daß Andrew jetzt hier sein sollte, damit er den Fall mit jemandem diskutieren konnte. Wäre das jetzt das alte Familien-Spiel gewesen, hätten er und Vater jetzt ihre Einsätze gemacht und die Hintergrundinformationen gelesen, während Mutter, wieder einmal nichts begreifend, idiotische Fragen gestellt hätte. Aber es war kein Spiel, und es war Harry, der nichts begriffen hatte.
    Hatte Andrew versucht, ihm mitzuteilen, daß Otto Rechtnagel Inger Holter ermordet hatte? Und wenn ja, warum? Gab es so etwas hysterisch Komisches wie verdrängte heterosexuelle Neigungen und ließen diese Serienmörder entstehen, die sich an blonden Mädchen rächten? Wie hatte esHarry nur geschafft, all das nicht zu begreifen, was Andrew ihm hatte begreiflich machen wollen? Die Einführung, die tiefgründigen Hinweise, die offensichtliche Lüge über den Augenzeugen in Nimbin, der White gesehen haben wollte – war das nicht alles zu dem Zweck gewesen, ihn von White abzubringen und endlich zu begreifen?
    Andrew hatte selbst dafür gesorgt, diesen Fall zu übernehmen und mit einem Ausländer zusammenzuarbeiten, den er glaubte kontrollieren zu können. Aber warum hatte Andrew Otto Rechtnagel nicht selber aufgehalten? Welche Verbindung war zwischen diesen beiden gewesen und hatte dazu geführt, daß er ihn, Harry, als Mittelsmann brauchte? Waren Otto und Andrew ein Liebespaar gewesen? War Andrew der Grund für Ottos Liebeskummer gewesen? Und wenn ja, warum mußte er Otto gerade dann töten, als sie ihn hatten festnehmen wollen? Weil Andrew einen anderen Plan gehabt hatte, einen Plan, der Otto hätte außer Gefecht setzen sollen, ohne ihn, Andrew, als Geliebten zu entlarven? Daß es so aussah, als ob Harry Otto Rechtnagel verdächtigte, um dann eine rasche Festnahme zu arrangieren, bei der er, Andrew, Otto bei einem »Fluchtversuch« oder aus Notwehr hätte erschießen können. Irgend so etwas mußte dahinterstecken. Harry ließ es sich auf der Zunge zergehen, aber es schmeckte fad. Wenn das stimmte, dann war Otto schon die ganze Zeit zum Tode verurteilt gewesen. Aber weil Andrew im Krankenhaus lag, als sie das Rätsel lösten, war alles für den ursprünglichen Plan viel zu schnell gegangen, so daß er sich nicht mehr durchführen ließ. »Gib mir zwei Tage«, hatte er gesagt.
    Harry wies eine offensichtlich angetrunkene Frau ab, die sich an seinen Tisch setzen wollte.
    Aber warum mußte er sich nach dem Mord selbst das Leben nehmen, Andrew wäre ja unentdeckt geblieben? Oder vielleicht nicht? Der Beleuchter hatte ihn ja gesehen, Harry wußte von Andrews Freundschaft mit Otto, und ein Alibi für den Tatzeitpunkt gab es wohl auch nicht.
    Tja, es schien wirklich Zeit für die Hintergrundinformationen zu sein. Zum Teufel, nein!
    Harry konnte sich mit Mühe und Not vorstellen, daß Andrew vielleicht geplant haben konnte, Otto bei einer mißglückten Festnahme zu erschießen. Eine Verhaftung, bei der Otto überlebt hätte, hätte unweigerlich zu einem langwierigen Verfahren mit dem entsprechenden Medienrummel geführt. Andrew hätte riskiert, daß alles ans Licht gekommen wäre. Zeitungsüberschriften wie »Schwarzer Kommissar war der Ex-Geliebte des Serienmörders«, gewürzt mit einem großen Foto, hätten sein Leben für immer verändert. Außerdem konnte es sein, daß Andrew von Schuldgefühlen angetrieben worden war, daß er sich persönlich dafür verantwortlich fühlte, Otto nicht aufgehalten zu haben und ihm dafür eine Strafe auferlegte, zu der ihn ein australisches Gericht nicht verurteilen konnte – den Tod.
    Die Gelegenheit, eine fiktive Schießerei ohne Zeugen heraufzubeschwören, war absolut gegeben, viel schwieriger war es aber gewesen, unbemerkt einen richtigen Mord zu begehen.
    Harrys Magen zog sich zusammen.
    Andrew hatte alle nur erdenklichen Möglichkeiten gehabt, Otto zu erledigen, bevor sich Harry und die anderen für ihn zu interessieren begannen. Und wie paßte es zusammen, daß ein Mann in einer Stadt, in der man als Hetero so lange als Abweicher betrachtet wurde, bis das Gegenteil bewiesen war, seinen Ex-Geliebten zerstückelte, um seine sexuelle Neigung zu verbergen? Und warum hatte er sich selbst danach getötet?
    Harrys pochende Kopfschmerzen hatten sich langsam, aber sicher verschlimmert, und jetzt fühlte es sich so an, als benutze jemand seinen Kopf als Amboß. In dem Funkenregen hinter seinen Augen

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