Der fliegende Brasilianer - Roman
Exilierte Der Graf D’Eu hat keine Ruhe, wenn Alberto der Ehrengast des Tages ist. Schon früh spaziert die Prinzessin nervös durch die Gartenanlagen des Palastes.
Er kommt bestimmt, kein Grund, so nervös zu sein.
Ich weiß, aber er kommt in diesem federleichten Ding angeflogen. Das macht mich nervös …
Warum kann er eigentlich nicht einen Zug nehmen, so wie alle Leute?
Einen Zug … wie entsetzlich … nicht einmal Sie reisen mit dem Zug, mein lieber Mann.
Sie wollen mich doch nicht mit ihm gleichsetzen?
Gleichsetzen? Nein, natürlich will ich nicht …
Darf ich fragen, was diese Auslassung besagen soll?
Auslassung … das ist mir gar nicht aufgefallen …
Oh, doch, eine Auslassung … Sie merken das schon gar nicht mehr …
Sie sind noch immer böse mit mir, mein lieber Mann, das ist es.
Ich bin nicht böse.
Natürlich sind Sie das. Sie mögen es nicht, wenn ich Brasilianer einlade, nicht wahr?
Sie wissen, dass ich sie verabscheue. Die kommen her und nennen Sie Erlöserin … Erlöserin! Ha, ha, ha …
Sie haben schon immer größte Verachtung für uns Brasilianer gezeigt …
Sie, Brasilianerin? Ach, dass ich nicht lache!
Ich bin Brasilianerin, mein lieber Mann, und dieses Privileg haben mir nicht einmal die Republikaner abzuerkennen gewagt. Ich bin eine arme Exilierte in diesem Land, das für mich immer ein fremdes Land bleiben wird. Die Begegnung mit Brasilianern ist die einzige Freude, die ich noch habe …
Abgesehen vom Schmuggel mit schwarzen Bohnen, Maniokmehl, Speck …
Neulich hat der Vicomte von Barbacena mir wunderbare Limonen mitgebracht.
Ich habe mich fast zu Tode geschämt, als Sie den Baron von Solimões zum Zuckerrohrschnaps gebeten haben …
Sie hören das Knattern der Demoiselle. Bedienstete erscheinen auf der Bildfläche, und das Ehepaar begibt sich zu dem Landeplatz. Alberto steigt gerade mit einem Beutel in der Hand aus der Demoiselle. Er verbeugt sich vor dem Grafen und küsst der Prinzessin die Hand.
Meine Erlöserin!
Der Graf D’Eu verdreht wütend die Augen.
Ich habe Maniokmehl mitgebracht, frisch aus Brasilien …
Der Graf verdreht erneut die Augen.
Gott segne Sie, mein lieber Alberto.
Aufflackern der Erinnerung Allmählich verließ das Glück Alberto, stellte Sem Jahre später fest. Wir, die wir in gemäßigtem Klima leben, sagen oft, das Glück sei wie der Sommer. So gesehen, schien Alberto ständig im Hochsommer zu leben. Er trug die Wärme seiner Heimat in sich und brachte uns in Verlegenheit mit seiner entschiedenen, rationalen, direkten und für unglückliche oder frustrierte Menschen fast immer verletzend harten Art. Alles, was er machte, hatte etwas augenfällig Sanftes an sich. Sein Flugzeug Demoiselle zum Beispiel besaß solch eine einzigartige Grandezza, so wie ein Lichtstrahl in sommerlichem Wald.
Geheimtresor Er ahnt, dass er der Schattensphäre, die ihn bedroht, nicht mehr entfliehen kann. Die Flüge in der Demoiselle verbergen nichts, im Gegenteil, alles wird offenbar. Bleibt also nur die alte Schamhaftigkeit der Mineiros und die Zögerlichkeit der Südländer. Mit der Absage an die Industrie erweist der Sport sich mit der Zeit als sehr bitter.
Die Flügel am Feuer Wie alles in seinem Leben ist der Akt des Ankleidens ein peinlich genaues, minutiöses Ritual. Die Kleidungsstücke haben sehr gut gebügelt und untadelig zu sein und werden überaus sorgfältig angezogen. Nach dem Ankleiden ohne fremde Hilfe wird der Butler gerufen, um beim Anziehen der berühmten Stiefel mit Plateausohle behilflich zu sein. Eines Abends stellt der Butler fest, dass die Beine seines Herrn zittern. Er hebt den Blick und sieht, dass Albertos Gesicht zu einer Grimasse verzerrt und seine Lippen verzogen sind.
Geht es Ihnen nicht gut, Monsieur?
Ich weiß nicht … mir ist unwohl …
Alberto schwinden die Sinne, der Butler stützt ihn.
Petitsantôs! Um Gottes willen!
Er legt Alberto auf das Bett und verlässt das Schlafzimmer.
Schnell, Petitsantôs geht es nicht gut.
Die Dienerschaft kommt ins Schlafzimmer gelaufen. Die Köchin ergreift die Initiative.
Nun mach schon, schnell, knöpf ihm das Hemd auf, nimm ihm die Krawatte ab …
Der Butler befolgt die Anweisungen der Köchin. Sem, der gerade hereingekommen ist und noch mit dem Zylinder auf dem Kopf und dem Spazierstock in der Hand dasteht, erschrickt über die Aufregung.
Was geht hier vor?
Petitsantôs.
Er hat die Besinnung verloren.
Alberto kommt wieder zu sich und schlägt
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