Der fliegende Brasilianer - Roman
die Augen auf.
Sem, bist du das?
Ja. Wie fühlst du dich?
Soll ich einen Arzt holen?
Nein, das ist nicht nötig.
Aber Sie sind ohnmächtig geworden.
Schon vorbei, keine Sorge.
Ich finde, du solltest einen Arzt konsultieren.
Ich habe doch gesagt, es ist schon vorbei. Mir war unwohl, ich glaube, das ist Erschöpfung. Einfach nur Überanstrengung …
Du hast dir in letzter Zeit keine Ruhe gegönnt …
Petitsantôs muss auf sich aufpassen …
Er meint, ihm könnte nichts etwas anhaben …
Auf dem Abstieg Zwei Tage später erscheint Alberto offensichtlich guter Dinge auf einer Gesellschaft im Hause von Antônio Prado. Er ist gesprächig und umgänglich und äußert sich über den alten Unwillen des Grafen D’Eu gegenüber den Brasilianern.
Das Problem ist, dass er uns alle als widerwärtige Republikaner betrachtet …
Viel schlimmer, er hält die Brasilianer für eine Horde von Wilden.
Aber, mein Gott, dieser arme Franzose ist doch nach Brasilien gegangen, weil er ruiniert war. Und dann jagen sie ihn mit dem Bajonett aus dem Land.
Das ist perfide, Cristina!
Das ist wahr, Alberto. Es ist allgemein bekannt. Hier hatte er noch nicht mal einen Besitz, den er Touristen hätte zeigen können.
Mein Gott, Cristina, dich möchte ich nie zur Feindin haben.
Ich habe die Prinzessin Dona Isabel sehr gern. Sie ist eine sehr couragierte Frau … Und der Graf D’Eu hat mich immer sehr gut behandelt.
Wer so einen Mann heiratet, muss wirklich Courage haben …
Alberto steht auf und geht zum Tisch, um sich ein Getränk zu holen. Er streckt die Hand aus und scheint die Kontrolle über seine Bewegungen zu verlieren. Er stößt die Gläser um. Perplex und beschämt über das Missgeschick setzt er sich auf einen Stuhl.
Wie schrecklich!
Ach, das ist doch nicht schlimm, Alberto …
Sie merkt, dass er blass geworden ist.
Fühlst du dich nicht gut?
Doch, doch … Komisch, plötzlich sah ich alles nur noch verschwommen.
Wahrscheinlich war das eine Verwünschung vom Grafen D’Eu … Er kommt um vor Eifersucht auf dich, Alberto.
Ach, Cristina, das ist nun wirklich geschmacklos.
Alberto will sich in einen Sessel setzen und taumelt.
Alberto!
Er wischt sich mit einem Taschentuch über das fahle Gesicht und ringt nach Luft.
Ich fahre nach Hause, ich bin sehr müde.
Ich lasse dich bringen.
Nicht nötig, es geht schon wieder.
Ich fände es besser, wenn du nicht selbst fährst …
Nicht nötig … ich fahre allein …
Der letzte Flug An welchem Tag es gewesen ist, hat die Erinnerung ausgelöscht. Aber der Start findet in St. Cyr statt, an einem Wintermorgen. Der einzige Augenzeuge ist sein Freund Goursat, und der ist besorgt, denn Alberto zeigt in letzter Zeit merkwürdige Symptome und scheint nicht in der richtigen körperlichen Verfassung zu sein, um die Demoiselle zu fliegen.
Schwarze Wolken am Himmel kündigen ein Unwetter an, aber Alberto will den Flug nicht verschieben. Er hat vor, einen Freund in Buc zu besuchen.
Was ist, Sem? Ich sehe keinen Grund, sich solche Sorgen zu machen.
Dir geht es nicht gut, Alberto.
Mir geht es sehr gut.
Aber es kommt ein Unwetter.
Alberto schaut zu den Wolken und lächelt zuversichtlich.
Heute gibt es keinen Regen, wetten?
Sem lässt ergeben die Schultern sinken. Die Demoiselle knattert los und hebt ab. Gleich darauf verschwindet sie in den schwarzen Wolken.
Im Auge des Sturms Die Demoiselle fliegt durch schwarze Wolken, Alberto kann nichts sehen, und der Propeller frisst sich durch das wabernde Dampfkondensat. Er empfindet ein enormes Lustgefühl, dort oben zu sein und dem aufziehenden Unwetter zu trotzen. Hin und wieder ein Blitz und anschließender Donner runden die atemberaubende Harmonie des Unwetters ab. Eine besonders dichte Wolke schließt das Flugzeug und seinen verwegenen Passagier vollkommen in sich ein.
Diagnose Mit nacktem Oberkörper sitzt Alberto auf einer Untersuchungsliege und wartet auf das Resultat der Konsultation. Der Arzt wäscht sich die Hände in einer Emailleschüssel, trocknet sie ab, dreht sich um und sieht seinen Patienten an. Er fragt, ob er irgendeinen Verwandten habe, jemanden, mit dem er sprechen könne.
Alberto hat niemanden in Paris, er ist seit dem 18. Lebensjahr auf sich allein gestellt.
Der Arzt seufzt, dies gehört zu den schlimmsten Seiten seines Berufes: dem Patienten die Wahrheit sagen zu müssen. Ganz besonders diesem Patienten.
Sie müssen tapfer sein, Petitsantôs … sehr tapfer …
Der Traum hat
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