Der fliegende Brasilianer - Roman
Brasilien zurück.
Er baut eine Glasfabrik auf.
Der kleine Prinz Goursat in Nizza, viele Jahre später.
Er hat sich nie jemandem ganz und gar ausgeliefert, er war immer auf der Hut. Ich glaube nicht, dass dies das Ergebnis einer strengen Erziehung auf dem Land gewesen ist. Ich selbst habe eine überaus strenge ländliche Erziehung genossen und galt als Libertin. Alberto hingegen hat immer seine Intimsphäre geschützt. Vielleicht träumte er davon, gut aussehend, stark und groß zu sein, vor allem groß. Und wünschte sich, spontan zu sein, zu jener Sorte Mann zu gehören, die Frauen sich nie als Vertraute, aber als Liebhaber wünschen. Doch er war das Gegenteil, er besaß etwas Liebevolles, das die Menschen für ihn einnahm, wenn er mal etwas aus sich herauskam. Seine Beziehungen zu Frauen entwickelten sich langsam, verlangten Geduld, brauchten wenig Worte … Aber wer bin ich, dass ich mich mit solcher Sicherheit über ihn äußere.
Die zölibatäre Maschine I Man schreibt das Jahr 1910.
Ein schöner Sommervormittag. Jardin des Tuileries. Paare gehen spazieren, Kindermädchen hüten kleine Kinder, und Gymnasiasten schlendern lärmend zwischen den Blumenbeeten. Eine Demoiselle in den französischen Nationalfarben fliegt friedlich am Himmel.
Die zölibatäre Maschine II Boulevard des Capucines. Menschen eilen die Bürgersteige entlang. Die Autos, jetzt schon zahlreicher als die Pferdekutschen, hupen, um unachtsame Fußgänger auf sich aufmerksam zu machen. Über den Boulevard fliegt eine leuchtend rote Demoiselle mit knatterndem Motor.
Die zölibatäre Maschine III Boulevard St. Michel. Studenten halten vor der Statue des Heiligen Michael eine lautstarke Kundgebung ab. Polizisten sehen feindselig zu. Am Himmel zieht brummend eine irrsinnig gelbe Demoiselle vorüber.
Die zölibatäre Maschine IV Gare de Montparnasse. Ein Zug ist gerade eingelaufen, die Fahrgäste steigen hastig mit Koffern und Paketen beladen aus. Sie hören ein Geräusch am Himmel, heben den Blick und beobachten, wie eine Demoiselle, so bunt wie ein Regenbogen, vorüberfliegt.
Der letzte Film von Max Linder Jardin du Luxembourg. Auf den im Park verstreuten Bänken sitzen ältere Menschen und sonnen sich. Eilige Fußgänger hasten die Wege entlang. Die Luft ist mild, vereinzelt stehen noch ein paar Frühlingsblumen. Da wird die ganze friedliche Ruhe vom Brummen einer blauen Demoiselle gestört, die im Tiefflug über die Bäume gleitet. Die Menschen blicken auf, andere kommen aus ihren Häusern gelaufen, um den Anblick des wunderschönen kleinen Fliegers zu genießen. Selbst die wortkargen Gäste eines Bistros in der Rue d’Assas lassen ihre Anisettgläser stehen und bewundern die Flugfiguren der Demoiselle. Nur einer bleibt gleichgültig an seinem Tisch sitzen und starrt auf sein Glas Weißwein. Der einsame Bistrogast ist Alberto Santos Dumont.
Lächerliche Wünsche Er kauft ein Teleskop und beobachtet fortan die Sterne. Vielleicht eine Übung, um seine eigenen Grenzen zu akzeptieren. Oder ein Versuch, sie zu überwinden. Und er zieht in ein Strandhäuschen mit Terrasse in dem beschaulichen Dorf Blonville-sur-Mer um. Tagsüber schaut er zu, wie die Frauen in den Wellen baden, spitz kreischen und über den weißen Sandstrand laufen.
Für die badenden Frauen, die ihn beobachten, ist er ein genügsamer Mann mit blassem Gesicht und nervösen Händen.
Was will er mit diesem Teleskop?
Sich verstecken, vielleicht.
La petit poucet Die letzten Neuigkeiten vom Himmel erreichen sein Refugium. Der Pilot Tony Janus hat zwischen St. Petersburg und Tampa in Florida die erste regelmäßige Luftverbindung eingeweiht. Das Wasserflugzeug legt die 35 Kilometer in 20 Minuten zurück, der Flugpreis beträgt fünf Dollar.
In vier Monaten hat er 10 000 Dollar eingenommen.
Royaume des Valdars Jorge Chavez, ein in Paris ansässiger Peruaner, versucht, in seiner »Blériot« die Alpen zu überfliegen. Er schafft die Überquerung bei dichter Bewölkung und stirbt auf der Landepiste, als er kurz vorm Aufsetzen abstürzt.
Statistik Unglücksfälle bei den ersten Flügen
1908 – 1 Toter
1909 – 3 Tote
1910 – 29 Tote
1911 – 100 Tote
Flugzeuge im Einsatz: 1350
Keine einzige im Einsatz befindliche Demoiselle erlitt einen schweren Unfall.
La goulue Roland Garros überquert in seiner »Morane-Saulnier H« das Mittelmeer und landet in Bizerta, Tunesien, während Calbraith P. Rodgers als Pilot einer »Wright Baby« die
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