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Der Fliegende Holländer

Der Fliegende Holländer

Titel: Der Fliegende Holländer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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einer Kanone, ja.« Der Brauereiangestellte hatte das dumpfe Gefühl, man bezweifele seine Worte. »Die haben ein Loch ins Boot geschossen, und wir sind gesunken. Und dann sind wir an Land geschwommen.«
    »Aha«, entgegnete der Mann von der Küstenwache. »Und welches Schiff war das genau?«
    Der Brauereiangestellte machte ein böses Gesicht. »Die Galeone«, antwortete er. »Die Galeone aus der Zeit der Tudors.«
    »Tut mir leid«, erwiderte der Mann von der Küstenwache, »aber auf der Startliste ist nirgendwo eine Galeone aus der Zeit der Tudors aufgeführt.«
    »Eben!«
    »Eben was, Sir?«
    »Hören Sie«, sagte der Brauereiangestellte, der nicht mit einem Sokrates gerechnet hatte, »fragen Sie doch einfach die anderen. Die werden Ihnen genau dasselbe erzählen.«
    »Genau das werde ich tun, Sir«, antwortete der Mann von der Küstenwache und machte sich sogleich an die Befragung.
    »Klar hab ich einen Knall gehört«, berichtete der Kameramann. »Aber was ich wirklich gern wissen möchte: wer das gesunkene Boot überhaupt gemietet hat, wo doch der Steuermann ganz offensichtlich voll wie ’ne Strandhaubitze gewesen ist, sonst wäre er bestimmt nicht gegen die Boje geknallt. Ich meine, diese Boje, die wir gerammt haben, kurz bevor wir gesunken sind.«
    Der Bootseigner erzählte, er sei sich ziemlich sicher, einen Knall gehört zu haben, und er werde die BBC auf jeden einzelnen Penny ihres Vermögens verklagen. Das sei definitiv das letztemal gewesen, daß er diesen Fernsehleuten sein Boot vermietet habe. Sie hätten ihn davor warnen müssen, daß die elektrischen Geräte bei Kontakt mit Wasser explodieren könnten. Manche Leute nähmen auf andere einfach keine Rücksicht. Vollkommen gedankenlose Menschen seien das.
    Danny Bennett sagte gar nichts. Er war überhaupt nicht da. Er befand sich an Deck der Verdomde, trank eine Dose Bier und dachte: O nein, nicht schon wieder!



8. KAPITEL
     
    Als ausgesprochener Modemuffel hatte sich Vanderdecker bei der Auswahl passender Kleidung für den Besuch auf Jeanes’ Bootswerft nicht allzu viele Gedanken gemacht. Es war ihm egal gewesen, ob das Hemd zur Hose paßte oder nicht. Er hatte einfach den Deckel seiner Seekiste aufgestoßen und sich wahllos etwas herausgegriffen. Aus diesem Grund trug er nun einen guterhaltenen, robusten Mantel mit Fischgrätenmuster, der zu Zeiten von Georg dem Fünften auf dem Webstuhl entstanden war, ausgestellte Hosen, ein grobes venezianisches Wams aus dem frühen siebzehnten Jahrhundert sowie Hush Puppies.
    Jane Doland hingegen teilte diese vogelscheuchenähnliche Einstellung zur Mode nicht. Eigentlich war sie von Natur aus ein Typ, der zu weiten Pullovern und Faltenrock neigte, doch sie hatte bereits recht früh erkannt, daß Buchhalterinnen nicht so wie andere Frauen sind und für sie das Naturgesetz gilt: Solange man keinen Anzug trägt, traut einem keiner zu, daß man rechnen kann. Deshalb ahmte sie mit Vorliebe den stocksteifen Austin-Reed-Look nach und trug einen hellgrauen Hosenanzug mit Hahnentrittmuster, an dessen Ärmeln breite Pfeile hinunterliefen, die wie das Symbol auf den Hinweisschildern britischen Regierungsbesitzes aussahen.
    Die meisten Leute, die regelmäßig auf Jeanes’ Bootswerft vorbeischauen, kaufen ihre Kleidung entweder in Military-Shops oder finden sie auf dem Sperrmüll. Aus diesem Grund wirkten die Werftbesucher auf ihre Art beide ziemlich deplaziert.
    Solange Vanderdecker sich erinnern konnte, hatte er stets Probleme gehabt, mit der Familie Jeanes klarzukommen. Normalerweise fuhr er nur einmal pro Generation zur Werft, so daß keine Gefahr bestand, wiedererkannt und dafür gerügt zu werden, daß er immer noch nicht tot war. Andererseits stand er bei jedem Besuch vor der gleichermaßen schwierigen Aufgabe, alles wieder ganz von vorn erklären zu müssen. Mittlerweile kamen ihm die Worte zwar ohne großes Nachdenken wie von selbst über die Lippen, aber seine Sorge schlummerte noch immer wie ein Fels unter der Wasseroberfläche.
    Die über die Jahrhunderte perfektionierte Anrede lautete folgendermaßen:
    »Mister Jeanes? Mein Name ist Vanderdecker. Ich weiß nicht, ob Sie mir helfen können. Ich hab ein sehr altes Schiff, an dem einiges getan werden müßte.«
    So weit, so gut. Mr. Jeanes rechnet schlimmstenfalls mit einem Schiff, das seine letzten Stunden in Gestalt von Bäumen in den vierziger Jahren dieses Jahrhunderts verbracht hat. Er erwidert irgend etwas Unverbindliches wie ›Aha‹. Obwohl er damit

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