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Der Fliegenfaenger

Der Fliegenfaenger

Titel: Der Fliegenfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Russell
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nicht so dumm daher! Er und mir den Hof …! Großer Gott!«
    Sie stand da und starrte mich an. Dann fuhr sie fort: »Ted interessiert sich einzig und allein dafür, dass es dir gut geht. Du solltest ihm dankbar sein. Er hat ein ganz persönliches Interesse an dir gefasst. Und wenn Ted meint, dass dir normale Freunde besser täten, dann stimm ich ihm zu; und ich finde, du solltest etwas dafür tun, statt dich dauernd mit diesem kleinen Rowdy rumzutreiben und mit diesem McDevitt, der sich nicht entscheiden kann, ob er ein Mädchen oder ein Junge ist.«
    Ich fand es schrecklich, wenn sie so daherredete. Ich fand es schrecklich, wenn sie sich so dumm benahm, denn in Wirklicheit war meine Mam überhaupt nicht dumm. Ich wusste ja, dass sie am Ende ihrer Kräfte war und dass es an ihr zehrte, jeden Tag zu meiner Oma fahren zu müssen, damit sie nicht ins Pflegeheim kam. Ich wusste ja, dass meine Mam eine Menge am Hals hatte. Aber all das war nicht schuld an ihrem dummen Verhalten; er war schuld, Wilson, der Mutant. Jedes Mal, wenn sie mit ihm geredet hatte, sagte meine Mam so dumme Sachen; wie zum Beispiel jetzt, dass Twinky nicht wisse, ob er ein Mädchen oder ein Junge sei.
    Da gab ich zurück: »Natürlich ist Twinky ein Junge! Und das weiß er auch ganz genau! Er ist nur zufällig ein homosexueller Junge, das ist alles.«
    Sie sah mich an. »Du solltest dich schämen!«, sagte sie. »Du solltest dich schämen, so daherzureden – ein Junge in deinem Alter!«
    Ich fragte sie, was denn mein Alter damit zu tun habe. Aber sie sagte, sie hätte jetzt keine Lust zum Streiten und außerdem müsse sie dringend zum Bus, um rechtzeitig bei meiner Oma zu sein.
    Dann ging sie. Und wir sagten nicht mal tschüss. Es war furchtbar, die ganze Zeit mit meiner Mam zu streiten. Dabei wollte ich doch gar nicht mir ihr streiten. Aber es war, als hätte meine Mam keine Lust mehr, selbst zu denken. Es war, als hätte sie mich verlassen und sei zu Wilson gegangen und würde jetzt nur noch das wiederkäuen, was Wilson sagte. Nun ja, wenn ihr das Spaß machte, war das ihre Sache. Sie lebte auf der einen Straßenseite bei Wilson dem Mutanten. Und ich lebte auf der andern Straßenseite bei Norman und Twinky. Und ich fand es wunderbar, bei meinen Freunden zu sein. Auch wenn es meine Mam nicht interessierte, dass ich Diät hielt und wieder zu dem Menschen werden wollte, der ich wirklich war – Twinky und Norman kümmerten sich um mich. Und mit Hilfe meiner Freunde, Morrissey, hab ich es geschafft, wieder zu dem Menschen zu werden, der ich eigentlich bin. Norman war mein persönlicher Fitnesstrainer und machte jeden Tag Dauerlauf mit mir, und Twinky spornte mich ständig an und sorgte dafür, dass ich mich genau an Petula Clarks Schlankheitsdiät hielt. Es war nicht leicht, Morrissey, jedenfalls anfangs nicht. Aber im Laufe der Wochen und Monate wurde alles immer leichter und ich wurde schlanker. Pizzas und Pasta waren passé und die Pfunde purzelten. Und eines Mittags, als Twinky mal ausnahmsweise keinen Unterricht hatte und mitkam, rannten wir zu dritt durch die Felder um Sunny Pines und wir lachten zusammen, atmeten zusammen, rannten zusammen durchs Feld und über den Bach, den Pfad unter den Bäumen entlang, und die Sonne leuchtete durchs Laub, und wir waren ganz gesprenkelt und da dachte ich, dass meine Oma Recht gehabt hatte und dass es so etwas wie den Himmel wirklich gibt.
    Und wenn man sich einfach wünschen könnte, dass die Zeit stehen bleibt, dann hätte ich sie genau dort angehalten; damals, als ich schlank war und dreizehn Jahre alt und mich mit Norman und Twinky fast im Himmel befand; und als ich noch glaubte, dass das Glück, wenn man es erst einmal gefunden hat, nie mehr aufhört.

    Mit freundlichen Grüßen
Raymond Marks

Rasenstück beim Shell Shop
und den Zapfsäulen,
Ferrybridge Services,
M62

    Lieber Morrissey,

    die sind einfach ohne mich weitergefahren! Die Leute im Bus. Das hätten sie mir doch sagen können! Die hätten mir doch sagen können, dass sie mich nicht mehr in ihrem blöden Bus haben wollen! »Pinkelpause«, hieß es. Aber als ich vom Klo zurückkam, war der verdammte Bus weg. Nur mein Gepäck und meine Gitarre lagen mitten auf dem Parkplatz; einfach zurückgelassen wie ich. Aber eigentlich ist es mir egal. Ich will doch nicht in einem Bus mitfahren, in dem mich jeder hasst!
    Das heißt allerdings, dass ich jetzt immer noch eine Mitfahrgelegenheit brauche. Doch das lässt mich kalt. Manchmal hab ich das Gefühl,

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