Der Fliegenfaenger
sind überall«, fuhr er fort, »diese schäbigen, löchrigen Gefäße: die Billy Braggs, die Morrisseys, die Michael Jacksons mit ihren verlockenden, aber leeren Verheißungen. Wo führen sie dich hin, mein Freund? Wird Morrissey dich zur Erlösung führen?«
»Hör mal«, sagte ich, »ich finde es schon schwer genug, nach Grimsby zu kommen; deshalb ist mir die Erlösung momentan eigentlich nicht so wichtig.«
Er starrte mich an. Dann nickte er wieder selbstgefällig. »Ich sehe schon, mein Freund, du bist noch nicht bereit für das Wort des Herrn!«
»Genau«, erwiderte ich. »So wird’s sein.«
Ich hoffte, er würde jetzt vielleicht aufgeben und sich wieder in die Schlange einreihen. Aber er stand nur da, deutete mit dem Finger auf mich und sagte: »Doch der Tag wird kommen, mein Freund; gewiss wird der Tag auch für dich anbrechen, so wie er für mich angebrochen ist; und an jenem Tag wirst du merken, dass du dich auf der falschen Straße befindest und dem falschen Führer nachläufst! Mr. Morrissey lockt dich in eine Sackgasse. Die Erlösung liegt anderswo!«
Allmählich wurde ich sauer. »Hör mal«, sagte ich, »wenn du so genau weißt, wo die Erlösung liegt, warum haust du nicht einfach ab und lässt mich in Ruhe?«
Und er ließ mich tatsächlich in Ruhe und stellte sich wieder an. Wär er lieber gleich in dieser scheiß Schlange geblieben! Irgendwie war er mir unheimlich. Es gefiel mir auch nicht, wie er über dich gesprochen hat, Morrissey. Der hatte doch keinen blassen Schimmer, wovon er sprach! So jemand würde das sowieso nicht verstehen. Deshalb hab ich auch gar nicht erst versucht, ihm zu erklären, dass du tatsächlich meine Erlösung warst, Morrissey. Und wenn du nicht gewesen wärst, wär es mir vielleicht nie besser gegangen. Das sagt sogar meine Mam; meine Mam sagt, der Tag, an dem es mir zum ersten Mal wieder besser ging, war der, an dem ich anfing, Gitarre zu spielen, Morrissey. Aber ich hätte ja nie Gitarre gespielt, Morrissey, wenn du nicht gewesen wärst. Als ich dich gehört hab, bin ich wieder lebendig geworden; damals, als ich aus Swintonfield entlassen wurde und nur noch ein halber Mensch war.
Eigentlich hätte ich gar nicht in Swintonfield landen dürfen. Ich weiß, dass alles mit Norman und Twinky anfing, aber es war nicht ihre Schuld. Es lässt mich kalt, was die Leute sagen, ich weiß, dass Twinky und Norman nicht schuld waren. Sie konnten nicht anders handeln. Und deshalb geb ich ihnen auch keine Schuld. Wilson, dem geb ich Schuld, Wilson, dem Mutanten! Ihm und Paulette Pattersons Vater. Denen geb ich die ganze Schuld. Und meinem Drecksonkel Jason; meinem Drecksonkel Jason und meiner Tückischen Tante Fay. Denn wenn sie nicht gewesen wären, hätte man meiner Oma keine rote Clownsnase verpasst und sie hätte mir an dem Abend, als es passierte, vielleicht sogar helfen können. Aber meine Oma konnte mir nicht mehr helfen. Denn mein Onkel und meine Tante, das grauenhafte Paar, waren eines Tages bei ihr aufgekreuzt; an einem Sonntagmorgen, weil sie wussten, dass da meine Mam nicht bei meiner Oma war. Und die beiden sagten zu meiner Oma, es sei so ein schöner Sommertag, dass sie spontan beschlossen hätten, mit ihr einen Ausflug aufs Land zu machen.Wenn meine Oma noch wirklich sie selbst gewesen wär, wäre sie niemals mitgefahren, jedenfalls nicht im Sommer. Die Jahreszeit hat sie nämlich nie gemocht. Sie sagte immer, im Sommer sei alles viel zu oberflächlich, besonders auf dem Land, da sei alles viel zu grün und zu bunt, und die Vögel machten einen Heidenlärm. Nein, die beste Zeit, um aufs Land zu fahren, sagte meine Oma immer, sei der Winter, wenn die Bäume dunkel und melancholisch wirkten und die Vögel sich zu benehmen wüssten. Aber meine Oma hatte alles vergessen; sie hatte vergessen, dass Butterblumen, Gänseblümchen und Löwenzahn ganz oberflächliche Blumen sind, sie hatte vergessen, dass sie Tante Fay doch gar nicht leiden konnte, sie hatte vergessen, dass sie »schöne Sonntagsausflüge« eigentlich hasste; sie hatte überhaupt vergessen, wer sie eigentlich war. Und deshalb fuhr sie mit diesen zwei Verrätern mit.
Nur als der Wagen in die Einfahrt des großen Gebäudes bog, sagte meine Oma verblüfft: »Komisch, ich dachte, wir fahren aufs Land?«
»Tun wir ja auch«, erwiderte Tante Fay. »Wir wollten hier nur mal kurz vorbeischauen, Vera. Wir dachten, du würdest vielleicht gern mal ein richtiges Schloss sehen!«
»Ein Schloss?«, fragte meine Oma.
»Na
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