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Der Fliegenfaenger

Der Fliegenfaenger

Titel: Der Fliegenfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Russell
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Don’t Wag his Tail since You’ve Been Gone«, schlug Desperado Deak plötzlich mit der Faust gegen den Van und rief gequält: »Es ist falsch! Wir sollten’s nicht tun! Es ist mir scheißegal, was ihr sagt, aber wir sollten’s nicht tun! Es ist falsch, ausgerechnet dort zu spielen, wo alles passiert ist! Es ist einfach nicht recht!«
    Cindy-Charlene wollte ihn wieder zurechtweisen, aber da bat Sowerby Slim alle um Ruhe und sagte: »Deak, ich weiß, es ist schwer, es ist für uns alle schwer, Kumpel! Aber du musst jetzt stark sein, Deak, du musst jetzt ganz stark sein. Sag einfach, du tust es für den Cowboy. Zum Andenken an den Cowboy!«
    Deak nickte und schniefte ein bisschen. Cindy-Charlene gab ihm ein Papiertaschentuch, aber er verschmähte es mannhaft und wischte sich die Nase mit dem Handrücken ab. Barmherzigerweise wurde die Probe nicht fortgesetzt. Stattdessen hockten jetzt alle deprimiert und ernüchtert da.
    Und ich weiß eigentlich gar nicht, warum ich die Frage stellte; denn mich hat Countrymusik noch nie interessiert, geschweige denn ihre Vertreter, die glauben, sie müssten diese Musik einer Welt aufdrängen, die sowieso schon genug leidet. Aber plötzlich sagte ich: »Was ist denn passiert? Mit dem Cowboy?«
    Jetzt drehten sich alle um, als hätten sie mich ganz vergessen gehabt. Und ich dachte schon, meine Frage sei zu neugierig oder taktlos gewesen. Aber das Gegenteil war der Fall. Sie verhielten sich wie trauernde Hinterbliebene, die die Erinnerung an einen lieben Toten dadurch wieder aufleben lassen, dass sie einem geduldigen Zuhörer alles über den Verstorbenen erzählen.
    Cindy-Charlene fragte mich nach meinem Namen, und als ich sagte »Raymond«, fing sie gleich an: »Ach, Raymond, wenn du ihn gesehen hättest! Wenn du ihn doch persönlich kennen gelernt hättest! Den Kexborough Cowboy. Was für ein Mann!«
    Ich nickte nur. Eigentlich hörte ich gar nicht richtig zu. Ja, wenn sie mir was über dich erzählt hätten, Morrissey, oder über die Smiths, das wär was anderes gewesen. Aber für diesen obskuren Countrysänger mit dem ziemlich schrägen Namen konnte ich mich einfach nicht begeistern.
    »Wir haben ja gar nicht gewusst, wer er ist«, sagte Cindy-Charlene. »Wir kannten ihn damals noch nicht als den Cowboy. Er stand einfach eines Tages da, ohne Ankündigung. Kam aus dem Westen.«
    Ich sah Cindy-Charlene an und nickte. »Amerika?«, fragte ich.
    »Nein, Bolton«, erwiderte sie. »Bolton oder Burnley oder so, irgendwo in Lancashire; seinem Dialekt nach jenseits der Moore. Wir waren ihm noch nie zuvor begegnet, jedenfalls nicht in der Countryszene. Er war einfach der Fremde. Der Fremde, der plötzlich bei dieser Probe auftauchte.«
    »Wir waren gerade am Zusammenpacken«, sagte Sowerby Slim. »Wir hatten drei Tage neue Gitarristen ausprobiert. Aber es klappte einfach nicht. Wir hatten tausend Leute angehört. Aber egal, wer mit uns spielte, irgendwie … sprang nie der Funke über. Na ja, jedenfalls waren wir am Abend des letzten Tages ziemlich geknickt; keiner sagte was, und wir packten gerade unser Zeug zusammen und fragten uns, ob wir je einen passenden Gitarristen finden würden.«
    »Da hörten wir es«, sagte Cindy-Charlene, »es kam irgendwo aus dem halb dunklen Saal; dieses Hüsteln. Und dann diese Stimme, zögernd und fast ein bisschen schüchtern: ›Äh … Entschuldigung, dass ich, äh … es tut mir sehr Leid, dass ich euch stör, aber ich hab gehört, dass ihr vielleicht einen Gitarristen sucht?‹ Und dann stand er da, der Fremde; er tauchte plötzlich aus dem Dunkel auf und stand am Fuß der Bühne, mit seiner Gitarre in der Hand.«
    »Eigentlich hatte ich keine Lust«, sagte Deak. »Ich hatte schon mein Hi-Hat und das Fußpedal auseinander gebaut. Aber Slim stupste mich an und nickte zu dem Fremden rüber. Und da sah ich die Gitarre.«
    Ach, Morrissey! Inzwischen bereute ich es längst, dass ich mich überhaupt nach diesem scheiß Kexborough Cowboy erkundigt und nicht einfach meine große Klappe gehalten hatte. Eigentlich hatte ich ja nur wissen wollen, was mit ihm passiert war. Aber die Dewsbury Desperadoes ließen sich Zeit, wie in einem Roman von Marcel Proust! Lange ertrug ich das nicht mehr; ich wollte sie schon bitten, anzuhalten und mich rauszulassen. Aber dann, Morrissey, erzählte Sowerby Slim weiter und auf einmal ging das, was im Van der Dewsbury Desperadoes passiert war, mich selber an! Denn plötzlich wurde mir klar, was Sowerby Slim meinte, als er von

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