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Der Fliegenfaenger

Der Fliegenfaenger

Titel: Der Fliegenfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Russell
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auf und rannten durch den leeren Saal ins Foyer. Aber dort trafen wir nur noch auf George, der den Fremden hinausgelassen hatte und gerade wieder hinter ihm abschloss.«
    »Eine Sekunde«, sagte Cindy-Charlene, »starrten wir George an und fragten uns, ob er so unglaublich gesungen hatte.«
    »Mir kam sogar allmählich der Verdacht, dass wir uns alles nur eingebildet hätten«, sagte Slim, »aber da zeigte Cindy-Charlene durch die Glastüren und sagte: ›Schaut mal!‹«
    »Und da sahen wir ihn«, fuhr Cindy-Charlene fort, »den Fremden. Er schlenderte gerade über den Parkplatz.«
    »Ich konnte es kaum glauben«, meinte Deak. »Das wollte mir einfach nicht in den Kopf. Nach dem Mist, den er kurz zuvor auf der Gitarre produziert hatte. Ich konnte nicht glauben, dass das ein und derselbe Mensch war!«
    »Aber ich wusste es«, fuhr Cindy-Charlene fort. »Ich wusste es! Ich kriegte die Tür gar nicht schnell genug auf. Inzwischen war der Fremde bereits fast außer Sicht. Wir hetzten wie die Irren über den Parkplatz. Und als wir ans Tor kamen, dachten wir schon, wir hätten ihn aus den Augen verloren. Aber dann sahen wir ihn auf der Hauptstraße. Er stand vor Hendleys Music Mart und starrte ins Schaufenster. Als wir ihn einholten, wollte er gerade den Laden betreten. Er war völlig perplex, als er uns sah. Aber ich sagte einfach nur: ›Sing uns was vor!‹«
    »Er wollte nicht«, erzählte Slim weiter. »Er stand nur da und wurde rot und fragte uns verlegen, warum er denn singen solle.«
    »Schließlich begann ich einfach selber zu singen«, sagte Cindy-Charlene. »Die Leute an der Bushaltestelle starrten uns an, als seien wir nicht ganz dicht. Und ich stand singend mitten auf der Straße und wollte den Fremden zum Mitsingen animieren. Aber er lächelte nur und sagte immer wieder, es sei wirklich wunderschön. Und ich wollte schon aufhören, weil ich dachte, wir hätten vielleicht gar nicht seine Stimme gehört.«
    »Aber dann«, sagte Deak, »als wir schon aufgeben wollten, machte der Fremde den Mund auf und begann leise, anfangs wirklich nur ganz leise, mit Cindy-Charlene mitzusingen.«
    »Und wie herrlich die beiden harmonierten!«, sagte Slim. »Wie wunderbar das klang; Cindy-Charlene übernahm die erste Stimme und er sang perfekte Drittel dazu; und dann tauschten sie und dieser Gesang zu zweit klang so wunderbar, dass er eine verlorene Seele getröstet hätte. Es war, als flösse Honig durch die Straße. Die Leute an der Bushaltestelle trauten ihren Ohren nicht; sie standen hingerissen da; mindestens drei Busse kamen vorbei und keiner dachte auch nur im Traum daran einzusteigen. Und der Fahrer des letzten Busses blieb einfach bei geöffneten Türen stehen und lauschte gemeinsam mit den Fahrgästen dem überirdischen Gesang in dieser alltäglichen Straße.«
    »Und dann der Applaus!«, erzählte Deak. »Die Rufe und Pfiffe, als der Song zu Ende war!«
    »Aber er stand nur da«, erinnerte sich Cindy-Charlene, »und runzelte die Stirn. Als begreife er gar nicht, warum alle klatschten!«
    »Aber wir zögerten keinen Moment«, meinte Slim. »Wir hatten zwar gar nicht nach einem Sänger gesucht, doch jetzt fragten wir ihn dort mitten auf der Straße, ob er Lust hätte, bei den Dewsbury Desperadoes mitzumachen.«
    »Du hättest sein Gesicht sehen sollen!«, sagte Cindy-Charlene. »Er guckte von einem zum andern, als traue er seinen Ohren nicht. Und dann ging ein Leuchten über sein Gesicht. Er schloss einen Moment die Augen, als habe man ihm gerade das kostbarste Geschenk der Welt gemacht. Und als er die Augen wieder öffnete, fragte er: ›Ist das euer Ernst? Ist das wirklich euer Ernst?‹«
    »Wir sagten: ›Natürlich ist das unser Ernst‹«, meinte Deak. »Und jetzt schien ihm langsam klar zu werden, dass es sich um ein ernst gemeintes Angebot handelte.«
    »Ja«, sagte Slim. »Und uns wurde langsam auch etwas klar. Jetzt hob er nämlich seine Guild-Gitarre an die Lippen, küsste sie und sagte: ›Endlich, altes Mädchen. Endlich haben wir’s geschafft! Jetzt geht’s aufwärts!‹«
    Sowerby Slim nickte mir zu. »Genau«, sagte er. »Er dachte, wir wollten ihn als Gitarristen!«
    Sowerby Slim und Deak schüttelten den Kopf und Deak sagte: »Ich begreif es einfach nicht. Hab es noch nie begriffen; wenn er sang, konnte ich manchmal vor Rührung weinen. Aber wenn er Gitarre spielte, konnte ich nur noch kotzen.«
    »Wir haben ihm zugeredet«, sagte Cindy-Charlene. »Wir sind alle zum Klub zurückgegangen und haben

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