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Der Fliegenfaenger

Der Fliegenfaenger

Titel: Der Fliegenfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Russell
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Vater war.

    Darüber dachte ich gerade nach, Morrissey, als ich Deak sagen hörte: »So, da wären wir.« Ich blickte auf und sah, dass wir am Ortsschild von Plinxton vorbeifuhren.
    »Wo wolltest du noch mal hin?«, fragte mich Slim. Und als ich »Grimsby« sagte, schauten mich alle überrascht an.
    Deak sagte: »Verfluchte Scheiße, da hättest du ja schon vor einer Ewigkeit an der M81 aussteigen müssen!«
    Ich zuckte nur die Achseln. »Macht nichts«, sagte ich.
    Deak starrte mich an, als sei ich nicht ganz dicht.
    Wir bogen auf einen Parkplatz ein. Und als wir alle ausgestiegen waren, stand ich direkt vor dem Metzger- und Architektenklub. Viele Leute mit Stetson-Hüten und Bierbäuchen warteten in einer Schlange vor dem Eingang. Manche von ihnen trugen sogar Sporen und grässliche T-Shirts, auf denen Sätze standen wie: »I’m doing fine. I’m walking the line: now that I’m into Country.«
    »Kommst du mit rein?«, fragte Cindy-Charlene. »Du könntest dir unsern Auftritt anhören, wenn du Lust hast.«
    Aber noch bevor ich den Kopf schütteln konnte, sagte Deak: »Um Himmels willen, Charlene! Das ist doch nicht dein Ernst!«
    »Wie bitte?«, fragte sie.
    Aber da sagte Deak zu mir: »Hör mal, ich will dich nicht kränken, aber mit den Klamotten in so ein Konzert, das bringt’s nicht, Junge.«
    Cindy-Charlene wollte schon protestieren, aber ich nickte nur und erwiderte: »Schon gut. Ich muss sowieso los.«
    Ich brachte es nicht übers Herz, Deak zu sagen, dass ich lieber den Dritten Weltkrieg erleben würde als ihr Konzert. Also bedankte ich mich bei Cindy-Charlene und sagte, ich müsse weiter. Deak war sichtlich erleichtert. Slim schüttelte mir die Hand und wünschte mir alles Gute für die Fahrt nach Grimsby. Dann drängte er Deak, allmählich die Anlage auszuladen. Und da die Desperadoes ja auf ihre Art sehr nett zu mir gewesen waren, konnte ich nicht einfach gehen, ohne es ihnen zu sagen. Wir standen um das Heck des Vans. Deak und Slim wollten gerade anfangen, die Verstärker und Transportkisten rauszuschieben. Da verkündete ich: »Bevor ich verschwinde, möchte ich euch noch etwas sagen.«
    »Und das wäre?«, warf Deak gleichgültig hin, während er mit Slim eine der Transportkisten anpackte.
    »Na ja, ich wollte euch nur sagen, woher ich wusste, dass der Kexborough Cowboy seine Stimme verloren hatte: weil er mein Dad war. Er war mein Vater.«
    Sie starrten mich an. Ich nickte ihnen zu. Sie tauschten verlegene Blicke. Dann trugen Deak und Slim den Transportkoffer auf den Eingang des Klubs zu. Und ich hörte Deak lachend sagen: »Ich hab’s dir ja gleich gesagt, Slim, wir hätten ihn nicht mitnehmen sollen. Sieht man doch auf den ersten Blick, dass dieser Typ aus’ner therapeutischen Wohngemeinschaft kommt!«
    Beide verschwanden im Klub. Ich nickte Cindy-Charlene zu, die mich mit besorgter Miene anstarrte. Aber ich lächelte nur, sagte tschüss und ging. Ich hatte schon fast die Parkplatzschranke erreicht, als sie hinter mir hergerannt kam. Und als ich mich umdrehte, wirkte sie noch besorgter als zuvor. »Hör mal«, sagte sie, »bist du sicher, dass du weiter willst? Es wird schon bald dunkel.«
    Ich zuckte die Achseln. »Ich schaff es schon«, sagte ich.
    Aber sie schien nicht überzeugt. Sie runzelte die Stirn und fragte: »Weißt du auch ganz bestimmt, wo du hinwillst?«
    »Klar«, erwiderte ich, »nach Grimsby!«
    »Aber wie kommst du hin?«, fragte sie. »Hast du überhaupt Geld?«
    »Schon gut«, sagte ich. »Ich brauch kein Geld. Ich komm schon zurecht!«
    »Hier«, sagte sie, machte ihre Handtasche auf und holte etwas Geld raus.
    »Hör mal«, sagte ich, »das ist wirklich nicht nötig, das …«
    Aber sie drängte: »Na komm schon, nimm es.«
    »Es ist wirklich alles in Ordnung«, sagte ich. »Ich bin nicht bekloppt. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.«
    Aber ich sah, dass sie sich immer noch Sorgen machte – um einen Schwachsinnigen, den sie jetzt gleich allein lassen musste, an einem ihm fremden Ort. Ich nahm das Geld und bedankte mich bei ihr. Und dann sagte ich: »Aber es stimmt. Er war wirklich mein Dad.«
    Sie nickte blinzelnd und sagte: »Ja, sicher … sicher.«
    Aber genauso haben die Leute damals mit mir geredet, als ich in Swintonfield war; deshalb wusste ich, dass sie mir nicht glaubte.
    »Pass auf dich auf, ja?«
    Ich nickte. Dann drehte sie sich um und wollte zum Klub zurück. In dem Moment fiel mir ein, was ich die ganze Zeit in der Hand trug. Und ich rief ihr nach:

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