Der Fliegenfaenger
erfahren hatte, kam es mir irgendwie sinnlos vor, mir groß Gedanken übers Essen zu machen.
Ich wusste ja nicht, Morrissey, dass mein Dad versucht hatte, sich umzubringen.
Genau das hatten sie mir unterstellt, in jener Nacht, als man mich unterm Eis vorzog. In jener Nacht, als man mich nach Swintonfield brachte.
Es hieß, ich sei zu einer Gefahr für mich selber geworden. Es hieß, man müsse mich vor mir selber schützen. Deshalb hat meine Mam die Einwilligungserklärung unterschrieben. Was hätte sie auch sonst tun sollen? Meine Mam dachte, so würde sie mir helfen, so würde sie mich schützen. Und deshalb mache ich meiner Mam auch keinen Vorwurf; ich mache ihr keinerlei Vorwürfe, denn damals erklärten ihr alle, in Swintonfield sei ich am besten aufgehoben.
Heute sagt meine Mam, dass ich damals krank war, das hätte nichts mit meinem Dad zu tun gehabt. Sie sagt, falls ich damals überhaupt verrückt war, dann nur, weil mich all das, was passierte, verrückt gemacht hat. Und meine Mam sagt, wenn sie irgendwem etwas vorzuwerfen hat, dann nur sich selbst. Aber ich gebe ihr keine Schuld. Paulette Pattersons Dad, meinem Drecksonkel Jason und Wilson, der Mutant – die waren schuld.
An dem Abend, als sie mich hinbrachten, an dem Abend, als ich unters Eis geraten war, sagten sie, auf der Station in Swintonfield sei ich am sichersten aufgehoben. Ich konnte einfach nicht mehr aufhören zu plappern; plappern, plappern, nicht mehr mit dem Plappern aufhören, konnte nicht mehr aufhören zu plappern, plappern.
Schon als man mich mit einer Gehirnerschütterung und halb bewusstlos unterm Eis vorzog, war es so, Morrissey. Ich plapperte die ganze Zeit vor mich hin und wiederholte unablässig die gleichen Dinge.
Wilson sagte zu meiner Mam, er habe diesen jüngsten Selbstmordversuch schon seit geraumer Zeit vorhergesehen. Er habe alle möglichen Anzeichen dafür bemerkt. Und dann riet er meiner Mam, unbedingt die Einwilligungserklärung zu unterschreiben, weil das der einzige Weg sei, mich wirksam vor mir selbst zu schützen.
Alle sagten, Mr. Wilson sei ein Held; weil er das Eis aufgebrochen und sein eigenes Leben riskiert habe, um mich aus dem kalten Wasser zu ziehen. Meine Mam wusste, dass sie allen Grund hatte, Mr. Wilson dankbar zu sein. Alle sagten, er sei ein Held. Und niemand sagte auch nur ein Wort davon, dass er ein Arschloch war; denn wenn er nicht plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht wär und mich zu Tode erschreckt hätte, dann hätt er mich gar nicht erst zu retten brauchen; aber davon sprach niemand. Alle sagten nur, er sei ein Held.
Und Corkerdale, der Chefarzt, meinte, Mr. Wilson habe beachtlichen Weitblick bewiesen, da er genau wusste, wo ich mich an jenem Abend aufhalten würde. Mr. Wilson tat natürlich ganz bescheiden; er erklärte dem Chefarzt, für jemanden, der mein Verhalten schon über einen relativ langen Zeitraum beobachten konnte, habe es keiner besonderen Kombinationsgabe bedurft, zu wissen, wohin es mich an jenem Abend ziehen würde. Und er danke Gott, dass er gerade noch rechtzeitig eingetroffen sei. Doch der Chefarzt beharrte, dass man nicht nur Gott danken müsse, sondern auch Mr. Wilson großen Dank schuldig sei.
Sie verstanden sich prächtig, Mr. Wilson und der Chefarzt. Mr. Corkerdale sagte, in solchen Fällen sei es immer eine große Hilfe, einen intelligenten, redegewandten Dritten hinzuziehen zu können, der in Bezug auf den Patienten wesentliche Erkenntnisse und Informationen zu liefern imstande sei. Und Mr. Wilson fragte den Arzt, ob er vielleicht mal einen Blick in die Akte werfen wolle, die er im Rahmen seines Open-University-Studiums angelegt habe; er wolle den Fachleuten aber keinesfalls auf die Füße treten!
Ganz im Gegenteil, versicherte ihm der Arzt; manchmal könne gerade der gebildete Laie jene Hinweise und Erkenntnisse liefern, die dem besten Experten entgingen. O ja, Wilson und Corkerdale verstanden sich prächtig. Sie waren sich einig, dass es das Beste sei, wenn meine Mam die Einwilligungserklärung unterschrieb.
Der Pfleger sagte, ich hätte mich die letzten Tage mucksmäuschenstill verhalten. Er meinte, seitdem man es mit dem neuen Medikament versuche, sei ich erheblich ruhiger geworden. Das unablässige Plappern, Schwatzen, Plappern habe aufgehört.
Und deshalb dachte er, jetzt könne man wohl den Besuch zu mir lassen. Brendan sagte, er habe gedacht, ich würde mich vielleicht sogar freuen, meinen Retter wiederzusehen, diesen mutigen Mann, der sein Leben
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