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Der Fliegenfaenger

Der Fliegenfaenger

Titel: Der Fliegenfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Russell
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mal.« Und ich pumpte mir die Lungen voll und tauchte erneut. Als meine tastende Hand endlich etwas zu fassen bekam, dachte ich erst, es sei nur ein Grasbüschel, und wollte schon wieder loslassen. Aber da merkte ich, dass es Alberts Haare waren. Ich weiß nicht mehr, wie ich ihn rausgekriegt hab; meine Lunge fühlte sich an wie ein zum Bersten gefüllter Ballon. Doch ich schwamm und schwamm und gab nicht auf, bis ich ihn endlich oben hatte, über der Wasseroberfläche, und dann klammerten wir uns beide am Ufer fest und rangen verzweifelt nach Luft. Gleich darauf streckten sich uns Hände entgegen und ich hörte die andern schreien und jubeln, während sie uns aufs Ufer hinaufzogen. Der prustende, hustende Albert jammerte, ihm täten die Lunge und der Schwanz weh, aber die andern jubelten und klatschten und sagten, es sei wahnsinnig tapfer von mir gewesen, Albert zu retten. Der Einzige, der nicht ganz so glücklich wirkte, war Albert, denn als wir ihm aufgeholfen hatten, brach er in Tränen aus und schrie, Kevin Cowley sei ein Scheißkerl und alles sei nur seinetwegen passiert. Aber Kevin verteidigte sich nicht mal. Er sagte einfach nur, es tue ihm Leid. Und nach einer Weile schüttelten sich Kevin und Albert die Hand. Jetzt waren wir alle wieder Freunde und gingen zur Schule zurück. Geoffrey Weatherby meinte, wir müssten irgendwie erklären, warum ich und Albert klatschnass waren. Und wir einigten uns darauf, dass wir sagen würden, Albert sei ausgerutscht und in den Kanal gefallen. Ich sei ihm nachgesprungen, um ihn zu retten. Darauf verständigten wir uns. Und eines stand fest: Das mit den Fliegen würde keiner von uns erwähnen.

    An jenem Tag hatte Mr. Donaldson Pausenaufsicht. Er sagte, wir hätten eigentlich gar nicht zum Kanal runtergehen dürfen. Und ich und Albert nickten und sagten: »Wir haben es einfach vergessen, Sir, tut uns echt Leid.« Mr. Donaldson schüttelte den Kopf und meinte, wir hätten Riesenglück gehabt. Und dann fügte er leise hinzu: »Vor allem, weil der Schulleiter nichts mitgekriegt hat.« Wir nickten, woraufhin Mr. Donaldson ein paar T-Shirts und Shorts holte und sagte: »Hier. Trocknet euch ab und zieht das an.«
    Mr. Donaldson war total nett und ich dachte schon, alles würde gut gehen. Ich dachte, wir wären noch mal davongekommen. Aber als Mr. Donaldson in den Umkleideraum zurückkehrte, brach Albert plötzlich in Tränen aus und klagte, ihm sei schlecht. Mr. Donaldson sagte zu mir: »Hör mal, Raymond, du gehst jetzt in deine Klassse zurück. Ich glaube, Albert behalten wir lieber mal noch hier unten und lassen ihn vom Schularzt untersuchen.«
    Ich sah wohl ziemlich besorgt aus, denn Mr. Donaldson sagte zu mir: »Alles in Ordnung, Raymond, er wird nur untersucht. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, ich bin sicher, es ist einfach der Schock, in einer halben Stunde ist Albert wieder putzmunter.«
    Und da ich wohl immer noch besorgt aussah, fügte Mr. Donaldson hinzu: »Gut gemacht, Raymond. Und Kopf hoch, ja? Ich finde, du hast dich heute Mittag wie ein richtiger Held verhalten!«
    Das machte mir so gute Laune, dass ich gar nicht mehr an den Schularzt dachte.
    Es war das erste Mal, dass mich jemand einen Helden nannte, und als ich in meine Klasse zurückging, schwebte ich wie auf Wolken. Und es kam noch besser, denn als ich das Klassenzimmer betrat, musste ich einen Moment vorne stehen bleiben, Miss Barraclough sagte zu meinen Mitschülern, ich sei ein sehr tapferer Junge, und alle jubelten und klopften mir auf den Rücken, als ich zu meinem Pult ging. Und selbst Rosemary Rainford lächelte mich bewundernd an. Sie hatte mich bis dahin keines Blickes gewürdigt, obwohl ich doch schon seit unseren Erstklässlertagen in sie verliebt war. Es war richtig aufregend, ein Held zu sein. Ich wollte mich gerade auf die Erdkundeaufgabe konzentrieren, da reichte mein Vordermann einen Zettel an mich weiter. Es war ein Herz draufgemalt und in dem Herz standen die Namen Rosemary und Raymond und jetzt konnte ich wirklich nicht mehr irgendwelchen Städten die entsprechenden Flüsse zuordnen; ich saß einfach nur da und genoss meine neue Rolle als Held der Schule und als Rosemary Rainfords offizieller Freund.
    Den Arzt hatte ich total vergessen!
    Ich hatte keine Ahnung, dass man unten im Umkleideraum gewisse Entdeckungen machte. Ich hatte keine Ahnung, dass Albert heulend über furchtbare Schmerzen geklagt und auf die Frage des Arztes, wo es denn so schrecklich wehtue, erwidert hatte: »Da

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