Der Fliegenfaenger
wir ohne die Chinesen bis zum heutigen Tag nur Imbissbuden hätten, in denen man nichts als Fish & Chips und Pie & Chips bekomme und höchstens noch ein paar zermanschte Erbsen. Und er bat uns Jungen und Mädchen, doch mal einen Moment zu überlegen, wie es wäre, in so einer Welt zu leben; man bekäme in den Imbissbuden von Failsworth keine Chop-Suey-Rollen und keinen gebratenen Reis, man bekäme kein Char Sui, keine heißen Sojabohnensprossen und keine dampfende, sämige Currysauce, in die man seine Chips tunken könne und die einen an kalten, frostigen Winterabenden so toll von innen wärme. Mr. Kerney ließ seinen Blick über uns schweifen und fragte, ob wir denn allen Ernstes in einer solchen Welt leben wollten? Wir schüttelten den Kopf und sagten: »Nein, Sir.«
Und dann sprach Mr. Kerney davon, dass Twinky McDevitt anders sei und was für ein Glück wir hätten, dass er so viel Glanz und Glamour in unseren grauen Pausenhof bringe. Mr. Kerney sagte, darüber sollten wir jetzt alle mal nachdenken und einen Moment schweigend stehen bleiben. Also blieben wir alle schweigend stehen und dachten angestrengt über das Anderssein nach und über Twinky und seine Pirouetten. Aber eigentlich dachten wir nur an dampfend heiße Chips und an Bohnensprossen mit Sojasauce und an Char Sui Foo Yung und an die wunderbare sämige Currysauce und daran, ob unsere Mams uns vielleicht schon heute Geld für den China-Imbiss »Garden of Confucius« geben würden, obwohl noch gar nicht Freitag war.
Und dann sangen wir gemeinsam das Lied von der großen Menschheitsfamilie und Mr. Kerney fragte Norman Gorman und Twinky McDevitt, ob sie vielleicht auf die Bühne kommen und Frieden schließen wollten. Also stiegen sie die Stufen hinauf, sagten zueinander, es tue ihnen sehr Leid, und gaben sich die Hand. Und der ganze Saal applaudierte, worauf Twinky einen tiefen Knicks machte und alle lachen mussten, selbst die Lehrer und Mr. Kerney. Und das muss für Twinky eine unwiderstehliche Ermutigung gewesen sein, denn er wirbelte auf der Bühne rum und präsentierte uns seine neueste Nummer aus Der Zauberer von Oz . Alle lachten, und es war wunderschön, und während Twinky singend die »gelbe Ziegelsteinstraße« aus dem Zauberer von Oz entlangtanzte, sagte Mr. Kerney, er hoffe, auch wir freuten uns aus ganzem Herzen, dass unsere kleine Schulwelt durch Normans und Twinkys Versöhnung jetzt wieder ein bisschen wärmer und freundlicher geworden sei.
Und als wir nach Hause gingen, fühlten wir uns alle glücklich und zufrieden (bis auf Norman Gorman, der erklärte, diese chinesischen Schlitzaugen seien doch alle Arschlöcher und es sei ja hinlänglich bekannt, dass sie sich den Hintern mit der bloßen Hand abwischten), und niemand von uns, nicht mal Mr. Kerney selbst, ahnte damals, dass er die freundliche kleine Welt unserer Schule schon so bald würde verlassen müssen: wegen des Skandals um das Transvestitenkrippenspiel und der traurigen Berühmtheit, die Twinky McDevitt in der lokalen Sensationspresse erlangte.
Twinky sollte einen der Heiligen Drei Könige spielen. Aber Twinky war nicht gerade begeistert, denn er wollte unbedingt die Jungfrau Maria sein. Ms. Thompson sagte, was ihm denn einfiele, die Jungfrau Maria sei doch eine Mädchenrolle und deshalb werde Samantha Hardcastle die Jungfrau Maria spielen.
Twinky drehte eine Pirouette und erwiderte, natürlich könne er die Jungfrau Maria spielen, vor allem deshalb, weil er viel hübscher sei als Samantha Hardcastle.
Daraufhin brach Samantha Hardcastle in Tränen aus, und Ms. Thompson schrie Twinky an, wenn er jetzt nicht endlich den Mund halte, werde er nicht mal einen der Heiligen Drei Könige spielen, sondern allerhöchstens das vierundzwanzigste Schaf!
Twinky zuckte gelassen die Achseln und fragte Miss Thompson, ob er den König spielen solle, der dem Jesuskind Weihrauch reicht, oder den König, der ihm Myrrhe bringt, oder den König, der ihm Gold schenkt?
Miss Thompson, die immer noch damit beschäftigt war, die schluchzende Samantha Hardcastle zu beruhigen, sagte: »Um Himmelswillen, Twinky, ich weiß es nicht!« Aber dann fügte sie spontan hinzu: »Das Gold. Du darfst den König spielen, der das Gold schenkt.«
Twinkys Miene hellte sich auf und er sagte, das sei okay, denn der König, der dem Jesuskind das Gold bringt, sei ein ganz besonderer König, der wichtigste von allen, und die andern zwei seien sowieso nur Statisten, damit es eben drei sind.
Twinky bat das Hausmädchen
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