Der Fliegenfaenger
unten.« Und dann hatte er die Hose runterlassen müssen. Und der Arzt und Mr. Donaldson hatten sprachlos auf Alberts Pimmel gestarrt, der so dick angeschwollen war, dass er ihm wie eine beschnittene Fleischwurst zwischen den Beinen baumelte.
Und selbst da wäre noch nicht alles verloren gewesen. Aber dann passierte die Katastrophe – der Arzt fand, das müsse sich unbedingt der Schulleiter ansehen! Mr. Donaldson fragte besorgt, ob das denn wirklich nötig sei. Aber der Arzt bestand drauf.
Ja, wenn es noch der alte Schulleiter gewesen wär, wenn Mr. Kerney noch unsere Schule geleitet hätte, dann wär alles gut gegangen. Es wär zwar auch alles rausgekommen. Aber Mr. Kerney hätte uns einfach in sein Büro bestellt. Dann hätte er uns mit traurigem, enttäuschtem Blick angeschaut, wie jedes Mal, wenn wir etwas ausgefressen hatten. Und dann hätte er leise gesagt, dass wir ihm sehr wehgetan und ihn sehr traurig gemacht hätten, weil er eigentlich immer der Meinung gewesen sei, wir seien brave, zuverlässige Jungs. Inzwischen wären wir alle furchtbar zerknirscht gewesen. Und dann hätte uns Mr. Kerney der Reihe nach mit seinen großen traurigen Augen angeschaut und uns inständig gebeten, doch mal an die Gefahren zu denken, die das Spielen am Kanal mit sich bringt, und vor allem an Alberts Mam und Dad – wir sollten doch mal einen Augenblick überlegen, was es für diese reizenden Leute bedeutet hätte, wenn ihr Sohn im Kanal ertrunken wär!
Und inzwischen hätten wir alle geheult wie die Schlosshunde und uns fürchterlich schuldig gefühlt und wir wären nie mehr zum Kanal runtergegangen und alles wär vergeben und vergessen gewesen, das Fliegenfangen und das ganze Theater, alles.
Aber unsere Schule wurde nicht mehr von Mr. Kerney geleitet. Mr. Kerney war nach dem Transvestitenkrippenspiel gefeuert worden. Man nannte ihn einen »hundertfünfzigprozentigen Linken«. Und Mrs. Bradwick, die Vorsitzende des Schulvorstands, erklärte in den North-West-News , ihrer Meinung nach sei an der ganzen Sache nicht Mr. Kerney persönlich schuld, sondern die Sechzigerjahre, weil die Lehrer damals aufgehört hätten, sich um Janet und John und Nip den Hund, ums Teilen bis vier Stellen hinter dem Komma und um das kleine und große Einmaleins zu kümmern, und stattdessen Malen mit Fingerfarben, Tanzen und sinnlose Gedichte angesagt waren, die sich nicht einmal reimten. Das war damals, als ich noch in der Grundschulklasse war und Jungs wie Norman Gorman und Twinky McDevitt in die oberen Klassen gingen. Aber es stimmte nicht, wenn Mrs. Bradwick behauptete, dass wir während Mr. Kerneys Amtszeit nichts Richtiges gelernt hätten! Wir hatten Lesen, Schreiben, Rechnen, Geschichte und Geografie und so weiter gelernt. Aber wir lernten auch sonst noch alles Mögliche, als Mr. Kerney unser Schulleiter war. Zum Beispiel, dass es okay ist, anders zu sein, wie zum Beispiel Terry McDevitt. Damals nannte ihn niemand Terry. Alle nannten ihn Twinky, sogar Mr. Kerney und die Lehrer; »Twinky« passte einfach besser zu ihm als Terry, weil er sich immer bei den Mädchen unterhakte und mit ihnen seilhüpfte und weil er auf dem Schulhof Konzerte gab, bei denen er Petula Clark und Lulu und Dorothy aus Der Zauberer von Oz imitierte. Aber einmal sagte Norman Gorman, dass ihm sein Dad zu Weihnachten einen reinrassigen Pitbull-Terrier schenken würde, und dann solle sich Twinky McDevitt in Acht nehmen, denn es sei ja allgemein bekannt, dass Pitbulls komplett ausrasten, wenn sie einen Schwulen riechen! Aber Twinky McDevitt drehte einfach noch eine Pirouette und erwiderte, Norman Gorman sei so hässlich, dass es einem später ziemlich schwer fallen dürfte, ihn von seinem Pitbull zu unterscheiden. Daraufhin versetzte Norman Gorman Twinky einen Fausthieb ins Gesicht und Twinky rannte ins Schulgebäude und beschwerte sich schluchzend bei den Lehrern, dass er nun bestimmt eine Narbe davontragen werde und dass seine Zukunft ernsthaft gefährdet sei und dass er sofort zum Schönheitschirurgen müsse, weil ihm sonst seine Karriere als Glamourstar auf den Bühnen des Westend verbaut sei! Bis die Lehrer Twinky endlich beruhigt und ihm versichert hatten, es sei ja nur eine Schramme und seine Haut werde bestimmt keinen Makel davontragen, hatte Mr. Kerney auch den Grund für den Streit erfahren, worauf er sofort eine Sonderversammlung einberief. Und auf dieser Versammlung sprach Mr. Kerney darüber, dass alle Menschen verschieden seien und jeder Mensch anders und dass
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