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Der Fliegenfaenger

Der Fliegenfaenger

Titel: Der Fliegenfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Russell
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Twinky McDevitts Jungfrau Maria auch auf alle andern Mitspieler zu haben, selbst auf die vielen Schafe, die Ms. Thompson bisher schier zur Verzweiflung getrieben hatten, weil sie eher einer Herde Holsteiner Kälber glichen als unschuldigen kleinen Lämmchen. Doch jetzt waren die Tierchen lammfromm, und als das Jesuskind geboren wurde, mähten und blökten sie in perfektem Unisono, genau wie Ms. Thompson es sich immer gewünscht hatte. Und in Twinkys Händen sah selbst das Jesuskind – eine eingewickelte Plastikpuppe, die Ms. Thompson auf dem Flohmarkt erstanden hatte – plötzlich so aus, als würde es in seinen Windeln zappeln und mit den Beinchen strampeln. Und vielleicht war das der Auslöser. Vielleicht glaubte auf einmal auch Twinky wie der ganze Saal, dass in dem Bündel nicht nur eine Plastikpuppe vom Flohmarkt steckte, sondern ein lebendiges Baby. Oder vielleicht war es wie immer, und Twinky wusste einfach nicht, wann Schluss sein musste. Wenn er jetzt aufgehört hätte, wenn jetzt , als das Publikum wie gebannt dasaß, hingerissen und fasziniert von der wundervollsten Jungfrau Maria, die Failsworth je erlebt hatte, der Vorhang gefallen und das Licht angegangen wäre, wenn Twinky jetzt aufgehört hätte, dann wär Mr. Kerney ein Held gewesen, dann hätte er vermutlich den Orden des British Empire fünfter Klasse bekommen und wär unser Schulleiter geblieben. Aber Twinky hörte nicht auf. Twinky erhob sich, trat langsam aus dem Stall an die Bühnenrampe vor, während er die ganze Zeit liebevoll auf das Jesuskind hinabsah, es zärtlich in seinen Armen wiegte und ihm ein Lächeln schenkte, das reiner Mutterliebe entsprang. Und vielleicht wurde er wirklich selbst von diesem Moment überwältigt. Doch während er so stand und liebevoll das Baby anblickte, öffnete Twinky plötzlich langsam die obersten Knöpfe seines Kleids. Und zweihundert Leuten klappte der Unterkiefer runter, zweihundert Augenpaare starrten in gebanntem Schweigen hin, als Twinky den Mund des Babys an seine linke Brustwarze hielt und sagte: »Trink dich satt, Jesulein. Und wenn die hier leer ist, gibt’s auf der andern Seite noch mehr.«
    Mr. Kerney tat sein Bestes.
    Er bezeichnete es als aufrichtigen und dramaturgisch effektvollen Versuch, den jungen Müttern von Failsworth die Vorzüge des Stillens darzulegen. Aber Mrs. Bradwick sagte, genau dieser so genannte aufgeklärte Liberalismus und progressive Mumpitz habe dem Ruf der Schule so geschadet und sie an den Abgrund der Dekadenz und Anarchie geführt.
    Und in einem Interview für die Failsworth Fanfare , das unter der Überschrift »Transvestiten-Maria in Krippenspiel-Schocker« erschien, versuchte Mrs. Bradwick Eltern und Öffentlichkeit dadurch zu beschwichtigen, dass sie Mr. Kerneys sofortige Entlassung ankündigte. Sie sagte, sie wünsche Mr. Kerney im Namen des Schulvorstands alles Gute und viel Glück für seine neue Tätigkeit als Besitzer des Eine-Welt-Ladens für vegetarische und biologisch-dynamische Lebensmittel in Glossop.
    Als wir nach den Weihnachtsferien wieder in die Schule kamen, hatten wir einen neuen Schulleiter. Und der Neue Schulleiter wartete schon an der Tür und fixierte uns, als wir das Gebäude betraten. Und als wir den Flur entlanggingen, bellte er plötzlich wie ein großer Hund: »He, du da! Bürschchen!«
    Ich wusste nicht, dass er mich meinte, weil ich Raymond hieß und mich noch niemand »Bürschchen« genannt hatte. Also ging ich weiter, aber da bellte er noch lauter: »Du DA!«
    Und jetzt stieß mich Geoffrey Weatherby an und flüsterte mir eindringlich zu: »Raymond, der meint dich !«
    Und als ich mich umdrehte, zeigte der Neue Schulleiter mit spitzem Finger auf mich. »Du!«, sagte er. »Ja, du! Komm mal her!«
    Und ich musste vor aller Augen den ganzen Korridor zurücklaufen. Als ich bei ihm angekommen war, starrte mich der Neue Schulleiter böse an und sagte: »Wie heißt du, Kleiner?«
    Ich antwortete: »Raymond James Marks«, und er nickte langsam.
    Dann schnipste er plötzlich wahnsinnig laut mit den Fingern, zeigte auf mein Comicheft und fragte: »Was hast du da in der Hand, Raymond James Marks?«
    Und ich sagte: »Ach, nur ein Spiderman -Heft, Sir.«
    Er schnipste wieder mit den Fingern und sagte: »Her damit!«
    Und er nahm mir mein Spiderman -Heft weg und starrte auf das Titelbild, als müsste er sich gleich übergeben. Dann blätterte er drin rum und sagte: »Findest du es richtig, so etwas mit in die Schule zu bringen, Raymond Marks? Ist das

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