Der Fliegenfaenger
beide gemeinsam tun. Ich glaube, wir hatten uns wirklich lieb, Geoffrey Weatherby und ich. Aber nach dem »Vorfall« am Kanal hielt sich Geoffrey Weatherby von mir fern. Und schließlich ging meine Mam zu Mrs. Weatherby rüber, um eine Versöhnung zu erwirken. Denn meine Mam hielt Mrs.Weatherby für eine sehr humane, mitfühlende Frau und dachte, wenn die mal mit ihrem Sohn redete, könnten Geoffrey und ich vielleicht wieder Freunde sein. Aber Mrs. Weatherby schüttelte nur den Kopf und sagte, als sie das erste Mal von den Vorgängen am Kanal hörte, habe sie das Ganze als unschuldige Rückkehr zur bacchantischen Tradition der Fruchtbarkeitsriten und Phallusanbetung begrüßt. Aber dann … , sagte sie zu meiner Mam, dann habe sie entdeckt, dass von Unschuld gar keine Rede sein konnte. Und Mrs. Weatherby schossen die Tränen in die Augen, als sie sagte, im Gegenteil, es sei der Mord der Unschuld gewesen!
»Der Mord an unschuldigen Fliegen!«, sagte sie. »Fliegen! Ja, Fliegen! Haben Fliegen etwa keine Rechte?«
Meine Mam stand nur da und sah Mrs. Weatherby an, deren Gesicht vor Schmerz über die Not der gemeinen Schmeißfliege ganz verzerrt war.
»Verdienen Fliegen etwa keinen Respekt?«, fragte Mrs. Weatherby. »Oder sind sie auf die Welt gekommen, damit jemand wie Ihr Herr Sohn sich auf Kosten dieser armen, gejagten Wesen amüsieren kann und andere mit seiner rohen Missachtung ihres Leidens und ihrer Qual ansteckt?«
Meine Mam seufzte und sagte: »Mrs. Weatherby, ich war ja auch empört! Ich wünschte, das alles wäre nicht passiert. Aber ich habe mein Bestes getan, nicht die Nerven zu verlieren. Und schließlich reden wir hier doch über … ganz gewöhnliche Fliegen!«
Doch da hatte meine Mam leider etwas völlig Falsches gesagt und Mrs. Weatherby flippte aus und kreischte, das sei genau die Haltung, die beinahe zur Ausrottung des Riesenpandas und des Buckelwals geführt habe, und kein Wunder, dass der Sohn sich so benehme, wenn ihm nie der nötige Respekt für die Heiligkeit jener Lebewesen eingeflößt worden sei, mit denen er die begrenzten Ressourcen unserer bedrohten Erde teilen müsse!
Als meine Mam zurückkam, sah ich gleich, dass sie nichts erreicht hatte. Sie stand nur kopfschüttelnd da und sagte: »Ich glaube, die Frau ist krank!«
Es tat mir Leid, wenn Mrs. Weatherby krank war. Aber ich wollte trotzdem noch mit Geoffrey befreundet sein. Deshalb passte ich ihn eines Abends auf seiner Zeitungsrunde ab. Kaum sah ich sein Fahrrad um die Ecke biegen, schlenderte ich die andere Straßenseite entlang, als käme ich gerade zufällig vorbei. Dann tat ich so, als hätte ich ihn eben erst entdeckt, und rief: »Hallo, Geoffrey!«
Aber er machte sich nur verlegen an seinen Zeitschriften und Zeitungen zu schaffen, zog eine Failsworth Fanfare heraus und steckte sie in den Briefkasten von Nummer siebenundvierzig. Dabei sah er mich kein einziges Mal an. Als er den Pfad von Nummer siebenundvierzig herunterkam, rief ich: »Geoffrey! Du wirst es nicht glauben, Geoffrey: Ich war neulich in der Comicbörse und hab eine Erstausgabe von Plastic Man und der Purpurplanet entdeckt! Meine Mam sagt, du kannst morgen zum Tee rüberkommen, wenn du magst! Dann können wir uns Plastic Man und der Purpurplanet gemeinsam anschauen!«
Ich und Geoffrey Weatherby, wir hatten immer davon geträumt, irgendwo ein Heft von Plastic Man und der Purpurplanet zu entdecken. Und wir hatten ausgemacht, wenn es einem von uns je gelänge, so ein Heft aufzutreiben, dann würde es uns beiden gemeinsam gehören. Deshalb würde Geoffrey Weatherby auf keinen Fall widerstehen können, und er musste einfach wieder mit mir reden und mein Freund sein. Es war mir egal, dass ich seine Freundschaft quasi erkaufte. Es war mir egal, dass ich gar kein Plastic Man und der Purpurplanet- Heft besaß! Ich wusste nur eines: Wenn ich es schaffte, dass Geoffrey Weatherby mal wieder zu uns kam, dann waren wir bald wieder Freunde.
Aber es klappte nicht! Selbst mit Plastic Man und der Purpurplanet konnte ich Geoffrey Weatherby nicht dazu bringen, wieder mein Freund zu sein. Er stieg einfach auf sein Rad und fuhr los. Und ich stand da und sah ihn vorbeiradeln, den Kopf tief über den Lenker gebeugt. Erst am Ende der Straße blieb er stehen und drehte sich um. Und ich dachte, jetzt kommt er bestimmt zurück. Aber nein, er rief nur irgendwas. Wahrscheinlich hab ich mich verhört, denn er war schon so weit weg. Es klang wie »Fette Sau!«, aber das konnte ja eigentlich
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