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Der Fliegenfaenger

Der Fliegenfaenger

Titel: Der Fliegenfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Russell
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Weg abzuschneiden. Sie schlug die Tür zu und sagte: »Nein, nein, nein! Ihr spielt nicht in seinem Zimmer! Ihr sollt doch nicht drinnen spielen, wenn draußen so schönes Wetter ist! Na los, raus in den Garten, da hab ich euch im Blick.«
    Meine Mam starrte sie an, aber Tante Fay sagte mit falschem Lächeln: »Sie spielen besser draußen im Garten, Shelagh. Das ist doch viel gesünder. Ich halte dieses ganze Gerede über das Ozonloch für Quatsch.«
    Meine Mam zuckte verblüfft die Achseln. Doch dann sagte sie, während sie Tee einschenkte: »Also los, Raymond. Bring deine Star Wars -Sachen runter, dann könnt ihr alle drei draußen im Garten spielen.«
    Ich schaute meine Mam entsetzt an. Wenn es nach mir gegangen wär, hätte ich mich mit den beiden nicht mal im gleichen Universum aufgehalten, geschweige denn im selben Garten und das wusste meine Mam auch genau. Aber ihr Blick besagte: Keine Widerrede!
    Also ging ich in mein Zimmer rauf. Ich war sauer. Ich war stocksauer auf meine Mam, weil sie meinen Drecksonkel Jason und die Fiese Tante Fay wieder vom Haken gelassen hatte. Und jetzt musste ich auch noch mit diesen beiden Idioten Star Wars spielen.
    Ich zog die Schachtel, in der ich alle meine Star Wars -Figuren aufbewahrte, unterm Bett vor. Ich nahm ein paar Soldaten der Imperialen Sturmtruppen und ein paar Ewoks und Wookies und dann noch Han Solo, Obi-Wan Kenobi und Luke Skywalker. Doch bei Prinzessin Leia überlegte ich es mir im letzten Moment anders und ließ sie in der Schachtel. Ich hatte auch einen triftigen Grund: Wenn ich sie mit nach unten nahm, würde die Doofe Dolly sie sofort an sich reißen und wie eine Puppe mit sich rumtragen; sie würde ihr die Haare kämmen, sie dämlich anstarren und ihr irgendwelche dummen Schlaflieder singen. Aber Prinzessin Leia brauchte nicht zu schlafen, denn Prinzessin Leia war keine blöde Puppe! Prinzessin Leia war eine rebellische Freiheitskämpferin im Krieg gegen die Dunklen Mächte des Imperiums! Es konnte mir also niemand einen Vorwurf machen, dass ich Prinzessin Leia nicht mit nach unten nahm. Ich hatte sehr gute Gründe dafür. Aber natürlich kannte ich auch den wahren Grund. Als ich Prinzessin Leia in der Schachtel liegen ließ, war mir klar, dass ich eigentlich nur meine Kusine ärgern wollte. Und noch etwas war mir klar: Nur weil ich mich selber furchtbar fühlte, hätte ich mich noch lange nicht furchtbar und fies benehmen müssen. Ich hätte mich ja einfach damit abfinden können, dass Prinzessin Leia von der Doofen Dolly verhätschelt und verzärtelt würde. Aber ich wollte nicht! Mir war es egal, dass ich so furchtbar und fies war. Es war mir scheißegal! Und irgendwas in mir, irgendeine schreckliche, schlimme Seite in mir freute sich sogar! Weil ich so furchtbar und fies war!
    Ich ließ Prinzessin Leia also in der Schachtel unterm Bett und ging wieder runter. Aber mitten auf der Treppe hörte ich meine Mam, meine Tante und Onkel Jason miteinander reden. Deshalb ging ich ganz, ganz langsam weiter und lauschte. Mein Drecksonkel Jason stieß gerade einen tiefen Seufzer aus und sagte: »Also, ich weiß nicht, ich weiß nicht!«
    »Ich hab dir doch gesagt, Jason«, erwiderte meine Mam, »es ist erledigt und damit basta. Er hat mir versprochen, dass er so etwas nie wieder tut; also vergessen wir das Ganze, okay? Und wo wir gerade bei merkwürdigen Vorfällen sind – warum reden wir nicht mal über euren Urlaub auf den Kanarischen Inseln, hm?«
    Doch Onkel Jason dachte nicht daran, diesen Köder zu schlucken, und sagte dreist: »Urlaub? Daran darf ich jetzt wirklich nicht denken! Da sitze ich in der Sonne und genieße die wohlverdiente Ruhe und in der Zwischenzeit wird hier der Name der Familie in den Dreck gezogen! Und was muss ich nach meiner Rückkehr hören? Dass wir einen dreckigen Perversen in der Familie haben, einen Perversen! Kaum aus den kurzen Hosen rausgewachsen!«
    Einen Moment herrschte Stille. Dann sagte meine Mutter leise und drohend: »Einen Perversen? Ich warne dich! Sag so was nie wieder über meinen Sohn!«
    Wieder wurde es still, bis Tante Fay albern auflachte und meinte: »Na, komm schon, Shelagh, Jason hat dich bestimmt nicht beleidigen wollen, nicht wahr, Jason?«
    Da mein Drecksonkel Jason schwieg, fragte meine Mam: »So? Und was wollte er dann ?«
    Jetzt lenkte Onkel Jason ein und sagte zu meiner Mam: »Schau mal, Shelagh. Ich weiß, du hast es nie leicht gehabt. Und du hast schon genug zu tragen. Aber ich bin dein Bruder, Shelagh.

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