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Der Fliegenfaenger

Der Fliegenfaenger

Titel: Der Fliegenfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Russell
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wahr, Raymond?«
    Ich nickte und sie sagte zu dem Taxifahrer: »Wir hatten einen herrlichen Tag zusammen, mein Sohn und ich.«
    Meine Mam wandte sich wieder zu mir und lächelte mich an. Und dann, als wir in unsere Straße einbogen und meine Mam nach ihrer Tasche griff, um den Geldbeutel herauszuholen, hörte ich den Taxifahrer plötzlich sagen: »Oje! Was wollen denn die Bullen hier?«
    Und ich sah, dass vor unserem Haus ein Polizeiauto parkte, neben dem zwei Polizisten standen. Einen Moment hatte ich ein mulmiges Gefühl. Aber dann sagte meine Mam: »Oh, schau mal! Das ist ja Eric! Und der andere … wie heißt er noch gleich? Sein Kumpel … ach ja, Dave, die zwei, die dich ins Krankenhaus gebracht haben! Guck mal«, sagte sie zu mir, »die wollen einfach mal schauen, wie’s dir geht! Ist das nicht nett? Na komm«, sagte sie und bezahlte den Taxifahrer. »Die werden sich freuen, wenn sie dich sehen!«
    Wir stiegen aus dem Taxi, ich und meine Mam in ihren neuen Schuhen, ihrem neuen Kleid und ihrer Urdu-Frisur.
    »Hallo!«, rief sie, während wir die paar Schritte auf die Polizistin zugingen. »Da staunen Sie, was?«, sagte sie, legte den Arm um mich und zog mich sanft mit. »Kerngesund ist er wieder, und die Ärztin hat gesagt, wir bräuchten uns keine Sorgen zu machen!«
    Und dann holte sie den Schlüssel aus der Tasche und fragte: »Hätten Sie vielleicht Zeit für ein Tässchen Tee?«
    Und jetzt fiel meiner Mam plötzlich auf, dass die zwei Polizisten nicht ganz so freundlich aussahen wie am Abend zuvor. Einer sah verlegen weg. Und der andere öffnete die hintere Wagentür.
    »Was ist denn los?«, fragte meine Mam.
    Und da stieg ein Mann aus dem Wagen und sagte: »Mrs. Marks? Ich bin Detective Sergeant Culshaw, Kriminalpolizei. Könnte ich Sie bitte einen Moment sprechen?«
    »Es geht ihm wieder gut«, sagte meine Mam mit besorgter Miene und zog mich näher an sich. »Es ist alles wieder in Ordnung!«
    Der Kriminalbeamte räusperte sich und nickte zum Haus hin. »Wir sollten wohl lieber hineingehen.«
    Meine Mam zögerte einen Moment. Und dann sah sie Mrs. Caldicott, die Nachbarin von gegenüber, durchs Fenster starren.
    Jetzt öffnete meine Mam die Tür und ließ ihn hinein.
    Er sagte zu meiner Mam, es sei vielleicht das Beste, wenn sie sich ungestört unterhalten könnten, und sah mich dabei an. Und meine Mam kapierte sofort und schickte mich in mein Zimmer rauf. Ich könne mich doch schon mal fürs Bett fertig machen, sagte sie, sie komme gleich nach. Aber ich wollte nicht ins Bett. Ich wollte meine Mam nicht allein lassen. Sie hatte immer noch ihr neues Kleid und ihre neuen Schuhe an, trug immer noch ihre neue Frisur. Aber es war nicht mehr dasselbe. Denn jetzt sah meine Mam wie eine richtige Mam aus.
    »Raymond!«, sagte sie scharf. »Geh in dein Zimmer hinauf!«
    Und ich stieg die Treppe rauf und ging auch wirklich in mein Zimmer, aber nur, damit meine Mam deutlich die Dielen knarren hörte. Dann schlich ich mich leise zum Treppenabsatz zurück.
    Als Erstes hörte ich meine Mam mit hoher, erstaunter Stimme fragen: »Was soll das heißen, ›wo er war‹? Er war am Kanal. Fragen Sie doch die beiden da! Die haben ihn schließlich rausgezogen!«
    Ich schlich die Treppe runter, bis ich bei der dritten Stufe von unten angekommen war und übers Geländer ins Wohnzimmer spähen konnte. Die beiden normalen Polizisten saßen auf dem Sofa und der Kriminalbeamte schaute gerade in sein Notizbuch.
    »Da war es … 18.35 Uhr, als ihn die beiden Kollegen entdeckten und aus dem Wasser fischten. Aber davor, Mrs. Marks, können Sie mir ungefähr sagen, wann sie Ihren Sohn zum letzten Mal gesehen haben?«
    »Wie?«, fragte meine Mam. »Gestern Abend?«
    »Genau«, sagte er. »Wir wissen, wo er ab 18.35 Uhr war, da haben ihn ja die beiden Kollegen entdeckt. Aber davor, Mrs. Marks, um welche Zeit haben Sie ihn davor zum letzten Mal gesehen?«
    »Warum wollen Sie das von mir wissen?«, fragte meine Mam.
    Doch niemand schien sich für die Fragen meiner Mam zu interessieren, denn der Detective Sergeant sagte nur: »War es zehn Minuten vorher, eine halbe Stunde, eine Stunde … wann?«
    Alle schwiegen und ich wusste, dass meine Mam jetzt nachdachte. »Ich kann es nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen«, meinte sie dann, »aber ich glaube, es war gegen halb sechs. Ich weiß noch, es war kurz nach unserer Rückkehr vom …«
    Der Detective Sergeant sah auf, als meine Mam stockte. Dann fragte er lächelnd: »Nach Ihrer

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