Der Flirt
peilen.«
»Was soll das heißen?«
»Es soll heißen« - sie biss ein Stück Toast ab -, »dass du viel zu ernst bist. Wann bist du das letzte Mal ausgegangen?«
»Du kapierst das einfach nicht.«
Ricki sah ihn an. »Ich begreife das sehr wohl. Er fehlt dir.«
Sam rutschte auf seinem Platz herum und starrte aus dem
Fenster. »Ja. Also … eigentlich« - er wechselte das Thema - »hatte ich es zur Abwechslung mal auf Rose abgesehen.«
»Oh, ja?« Ricki packte Roses Hand und zog sie auf ihr Knie. »Da bin ich dabei. Also, warum haben wir es heute auf sie abgesehen?«
»Verpiss dich!« Rose wand sich, doch Ricki war stark und hielt sie fest.
»Ich finde, sie könnte leicht’ne bessere Arbeit finden als in Jack’s Café, was meinst du?«
»Ganz deiner Meinung. Zweitausend Prozent.«
»Und der blonde Kerl, den sie so mag, hat ihr heute einen Kuss gegeben!«, fügte Sam hinzu.
»Ausgeschlossen! Der piekfeine Schnösel?«
»Das reicht!« Rose befreite sich aus Rickis Griff. »Ich brauche weder Ratschläge in Karriere- noch in Liebesangelegenheiten, und bestimmt nicht von euch zwei Losern! Abgesehen davon« - ungeduldig strich sie ihre Schürze glatt - »habe ich Pläne.«
Sam und Ricki schauten einander an. »Aaauuutsch!«
»Und die wären?«, wollte Sam wissen.
»Das ist persönlich.« Rose rümpfte die Nase und eilte in die Küche, um Rickis Kaffee zu holen. »Aber seid versichert, dass es nichts damit zu tun hat, euch Idioten den ganzen Tag Tee auszuschenken!«
»Gut. Freut mich, zu hören«, rief Ricki hinter ihr her. Sie sah Sam an und schüttelte den Kopf. »Mist.«
»Ja, das fasst es so ziemlich zusammen«, pflichtete er ihr bei. »Geht’s dir gut?«
»Müde.« Ricki gähnte. »Und einsam. Und müde, einsam zu sein.«
Sam trank seinen Tee aus. »Dann such dir’ne Freundin.«
»Ja, richtig. Wenn das so einfach wäre, hättest du auch längst eine.«
»Hey, ich bin nicht einsam!«, widersprach er. »Ich bin nur zu bezaubernd und beschäftigt und …«
»Alt?«
»Ja, alt. Du könntest deine Ansprüche runterschrauben.«
Ricki schnaubte. »Mach ich, wenn du’s machst.«
»Eigentlich«, räumte er ein, »bin ich lieber allein.«
»Ich auch.«
Rose kam mit ihrer Bestellung zurück, und Ricki reichte ihr einen Fünfer und stand auf. »Also, ich mach mich besser mal auf die Socken, ich muss heute zu einem neuen Kunden.« Sie gab Rose einen Kuss auf die Wange. »Ruf mich an, wenn du diese Woche Hilfe mit Rory brauchst, okay?«
»Okay. Danke.«
»Und du«, wandte Ricki sich an Sam, »pass auf dich auf. Vergrab dich nicht zu sehr in der Arbeit. Nimm’s locker.«
»Ich nehm’s locker, sobald ich mich in meinem Ferienhaus in der Toskana zur Ruhe gesetzt habe.«
»Ja dann, ciao, Baby!«
Sam griff wieder nach dem Katalog.
Rose verteilte die Ketchup-Spender.
Der Frühstücksansturm war vorbei.
Rose stellte ein paar Stühle zurecht und klemmte die Tür auf. Frische Luft wehte herein. Sie schloss die Augen und genoss die kühle, erfrischende Luft auf dem Gesicht.
Ihr Glück wendete sich, sie spürte es. Nicht nur hatte der Mann, in den sie seit zwei Wochen verknallt war, sie endlich bemerkt, sie hatte auch ein Vorstellungsgespräch, das erste richtige Vorstellungsgespräch in ihrem Leben. Und es war nicht irgendein Job, es war eine angesehene Position: der Posten der Juniorassistentin der amtierenden stellvertretenden Hauswirtschafterin eines Herrenhauses in Belgravia.
Chester Square Nummer 45.
Belgravia.
Allein der Name klang poetisch!
Am vergangenen Samstagnachmittag war sie mit Rory mit dem Bus dort vorbeigefahren, nur um sicherzugehen, dass sie wusste, wohin sie musste. Sie waren vor Nummer 45 mit seinen Reihen gepflegter Blumenkästen und den gestutzten Lorbeerbäumchen links und rechts der Haustür stehen geblieben. Der Messingklopfer in Form eines Löwenkopfes hob sich schimmernd von dem glänzenden schwarzen Lack der Tür ab. Die Fenster funkelten in der Sonne. Alles war ruhig, harmonisch, wohltuend für das Auge.
In einem so schönen Haus konnte nichts Schlimmes passieren. Sehnsucht erfüllte Roses Brust. Sie wollte ihren eigenen Haustürschlüssel. Sie würde eintreten und eine von Behagen und Eleganz geprägte Welt vorfinden, eine Welt, die vollkommen anders war als die, in der sie jetzt lebte.
Rose setzte sich hinter die Kasse, holte eine Ausgabe von Hello! hervor und vertiefte sich in die Hochglanzfotos von Prominenten.
Im Café war es friedlich und ruhig.
Dann
Weitere Kostenlose Bücher