Der Flirt
Stimme klang jämmerlich dünn. »Bist du heute Abend zu Hause?«
»Schatz, was habe ich gerade gesagt? Ich treffe mich heute Abend mit Pollard im Garrick. Wenn du nachts schlafen würdest, statt herumzuspazieren wie eine Katze, müsste ich mich nicht wiederholen.«
Er nahm Kaffeetasse und Zeitung und stolzierte davon. Den halben Weg die Treppe hinauf hörte sie ihn über Kipps, den Kammerdiener, schimpfen, weil der seine Pantoffeln auf die falsche Bettseite gestellt hatte. Schließlich schlug eine Tür zu.
In der darauffolgenden Stille war Olivia sich deutlich bewusst, dass zahllose unsichtbare Augen auf sie gerichtet waren; Zeugen ihrer wachsenden häuslichen Disharmonie. Die Monate, da Arnaud sie umworben hatte, gehörten einem anderen Leben an.
Er besaß eine überaus starke, überzeugende Persönlichkeit, und er wusste immer genau, was er wollte und was zu tun war. Dann richtete er das grelle Scheinwerferlicht seiner gewaltigen Aufmerksamkeit auf sie. Zu Anfang war sie ihm gegenüber gleichgültig gewesen, was ihn zu beispiellosen romantischen Gesten angespornt hatte. Jeden Morgen waren Kartons mit frischen Blumen geliefert worden, Diamantohrringe von den besten Juwelieren, ein Saphirring, sogar eine Halskette aus seltenen schwarzen Perlen wurden als Geschenke geschickt. Einmal hatte er ihr eine Skizze von Degas gekauft,
die sie beiläufig in einem Auktionskatalog von Bonhams bewundert hatte. Sie waren in seinem Privatflugzeug an exotische Orte überall in der Welt gereist, wo man sich rasch und geflissentlich um ihre sämtlichen Bedürfnisse gekümmert hatte. Sie war ganz im Schatten seiner überlebensgroßen Persönlichkeit aufgegangen. Es war eine Erleichterung gewesen, sich in ein vorgefertigtes Leben einzufügen, wo ihr sämtliche Entscheidungen abgenommen wurden.
Doch all das war längst vorbei.
Langsam schob sie ihren Stuhl nach hinten.
Plötzlich war Gaunt wieder da, hob die Serviette vom Boden auf, faltete sie, hielt ihr die Tür auf.
»Kann ich Ihnen etwas holen, Madam?«
Seine Aufmerksamkeit kam ihr fast wie Freundlichkeit vor. Tränen brannten ihr in den Augen. »Nein.« Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Das Frühstück war wunderbar. Vollkommen. Vielen Dank.«
Sie trat in die Halle. Endlose Stunden dehnten sich vor ihr aus, leer und unerträglich.
»Ich bitte um Verzeihung …« Gaunt zögerte, ein dunkler Schatten in der Tür.
»Ja?«
»Die Gartenbaufirma hat jemanden geschickt. Wegen des neuen Brunnens.«
»Oh. Natürlich.«
Olivia folgte ihm nach draußen.
Es war ein typischer Londoner Garten, ein kleiner Hofraum, der zu einem kleinen Rasenfleck führte, geschmückt mit Blumenbeeten in ordentlichen Reihen. In einer Ecke tröpfelte ein winziger Springbrunnen matt vor sich hin, und hinten, in der Nähe der Mauer, die für Privatheit sorgte, standen drei hohe, schlanke Eukalyptusbäume.
Ein dunkelhaariger junger Mann wartete, den Rücken ihr
zugewandt. Er drehte sich um, als Olivia ins Sonnenlicht trat, einen Augenblick von den Strahlen geblendet. Doch als ihre Augen sich an die Helligkeit gewöhnten, erkannte sie, dass der Gärtner in Wirklichkeit eine Frau war, eine große, braun gebrannte junge Frau mit dunklem, kurz geschnittenem Haar. Sie trug ein weißes T-Shirt und hatte die Daumen in die Hosentaschen gehakt. Ihre dunklen Augen begegneten Olivias, und ihre Lippen öffneten sich zu einem trägen Lächeln.
»Das ist Ricki, von der Gartenbaufirma«, stellte Gaunt sie vor.
»Hi.« Sie hatte einen festen Händedruck. »Sie wollen sich also von diesem Springbrunnen trennen, ist das richtig?«
»Ja, er tröpfelt nur, ein sehr lästiges Tröpfeln.«
»Hm. Das ist schnell erledigt. Haben Sie überlegt, welche Art von Plätschern Sie gerne hätten?«
»Sie meinen, ich kann mir das aussuchen?«
»Ja, Wasser kann ganz verschieden klingen, je nachdem, aus welchem Material die Einfassung des Brunnens gefertigt ist, wie hoch der Ablauf ist, wie tief das Wasserbecken darunter … es liegt ganz an Ihnen. Ich persönlich würde ihn aus der Ecke rausholen und ein bisschen etwas Dramatischeres installieren, direkt hier« - sie zeigte auf die Mitte des Rasens -, »genau in der Mitte. Haben Sie Kinder?«
»Nein«, erwiderte Olivia scharf. »Warum?«
»Nichts. Kinder und Wasser sind keine gute Kombination. Es ist gefährlich.«
»Oh. Ja. Natürlich.«
»Aber da das kein Problem ist«, fuhr Ricki fort, »könnten wir hier etwas ganz Phantastisches schaffen. Eine Aluminiumrinne
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