Der Flirt
Beziehung gab es einen, der anbetete, und einen, der angebetet wurde. Angebetet hatte sie schon, und sie zog es bei weitem vor, dass es jetzt andersherum war.
Das Teewasser kochte. Sie löffelte die losen Blätter des Earl-Grey-Tees behutsam in eine blaue Tiffany-Kanne und goss das heiße Wasser darüber. Das Aroma breitete sich im Raum aus.
Versonnen blickte sie aus dem Fenster in den kleinen Garten hinter dem Haus.
Leo hatte unrecht. Niemand konnte sie je wieder verletzen, das würde sie nicht zulassen.
Sie rührte den Tee kurz um und schenkte sich eine Tasse ein. Das waren die Stunden, die sie am meisten liebte, wenn der Tag noch vor ihr lag wie eine golden schimmernde Verheißung, unberührt von Enttäuschungen oder Frustrationen. Sie setzte sich an den Tisch, stellte ihre Teetasse auf eine kleine Bank, weit weg von ihrer Arbeit, schlug ein in Seidenpapier eingewickeltes Päckchen Seide auf und führte sicher und geschickt die Nadel.
Die Morgensonne wärmte ihr den Rücken, draußen sangen die Vögel. Leticia trank ihren Tee.
Kaum etwas war so fragil wie alte Spitze oder das menschliche Herz.
Dann hörte sie etwas.
Hartnäckig, lästig.
Aus dem Badezimmer.
Es tropfte, und das bedeutete, dass hier dringend ein Klempner gebraucht wurde.
Tee für Tisch fünf
Rose, die Kellnerin in Jack’s Café, blieb am Fenster stehen und beobachtete, wie Hughie Armstrong Venables-Smythe die Straße hinunter durch die Menschenmenge schlenderte.
»Bestellung fertig!«, rief Bert aus der Küche hinter ihr.
»Ich habe gesagt, Bestellung fertig!«, rief er noch einmal. Rose drehte sich um und servierte dem Mann an Tisch sieben zwei gebratene Eier, Würstchen, Bohnen und Tomaten, bevor sie die Reste von Hughies Frühstück abräumte. Dann nahm sie 4,95 Pfund aus ihrer Tasche mit dem Trinkgeld und tat sie in die Kasse.
»Rose! Tee für Tisch fünf!«, rief Bert. »Was, zum Teufel, ist denn heute los mit dir?«
»Nichts«, sagte sie und schenkte Tee aus. »Überhaupt nichts.«
Sie brachte Sam, dem Klempner, der regelmäßig an Tisch fünf saß, seinen Tee. Sam war Ende dreißig und hatte einen Wust dunkler, ungebärdiger Haare, inzwischen mit Grau durchsetzt, wilde, blassgraue Augen und ein sardonisches Lächeln. Er hatte Anfang des Jahres das alles andere als florierende Klempner- und Heizungsinstallateur-Geschäft seines Vaters geerbt, mitsamt dessen bereitwilligem Lachen und seiner langsamen, trägen Gangart. Im Augenblick war er gerade in einen Katalog mit Plastik-Knierohren vertieft.
»Danke.« Er nahm, konzentriert die Stirn runzelnd, einen Schluck.
»Gütiger Himmel, Sam, machst du je mal eine Pause?«
»Wozu?« Er zuckte die Achseln. »Es ist jetzt mein Geschäft, wenn ich es nicht zum Erfolg bringe, dann tut’s niemand.«
»Aber Knierohre zum Frühstück?« Sie schüttelte den Kopf. »Dein Vater war immer viel lockerer.«
»Tja, wenn mein alter Herr genauso viel Zeit in das Geschäft investiert hätte, wie er im Pub verbracht hat, dann wäre er womöglich noch unter uns.« Sein Tonfall war scharf.
Der alte Roy, Sams Vater, hatte in demselben Block mit Sozialwohnungen gewohnt wie Rose, sie kannte die beiden seit Jahren. Er war ein legendärer Charakter gewesen, bei Frauen und Männern gleichermaßen beliebt; ein Mann, dessen freche gute Laune ihn von den normalen Regeln des Lebens auszunehmen schien. Im Laufe der Jahre hatten er und Sam, der eine so stur wie der andere, häufig miteinander im Clinch gelegen. Sam war ehrgeizig, und der alte Roy war normalerweise verkatert. Doch jetzt, da er nicht mehr lebte, fiel Rose an Sam eine gewisse Nervosität auf; eine uncharakteristische Ernsthaftigkeit, die seine ganze Persönlichkeit umgab. In letzter Zeit hatte er nur noch Interesse für eine Sache: seine Karriere.
»Tut mir leid, Sam, ich hab nicht überlegt.« Mit einem Tuch fuhr sie geistesabwesend über die Tischplatte und stieß die Zuckerdose um. »Oh, verdammt!«
Er schaute auf, klare Augen umrahmt von dichten, fransigen Wimpern. »Bist du mal wieder in deiner Traumwelt?«
»Was redest du da?«
»Nun« - er stellte seinen Teebecher ab - »er hat dich geküsst, nicht wahr, Red?«
Sam entging nichts.
»Und wenn schon.« Sie errötete, wandte sich ab und tat so, als würde die Aufgabe, am Nebentisch einen Kaffeefleck
zu entfernen, sie völlig in Anspruch nehmen. »Und nenn mich nicht immer Red. Ich bin zu alt für Spitznamen. Ich bin fast zweiundzwanzig, längst kein Kind mehr.«
»Ja. Klar.«
Ohne
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