Der Flirt
mehrere Kontinente erstreckte, einen einschüchternd vollen Terminkalender, Häuser überall in der Welt, eine Reihe von Firmen und ein Heer von Bediensteten. Und obendrein einen Ruf als unheilbarer Playboy. Damals war sie so dumm gewesen, zu denken, sie könnte Einfluss auf ihn ausüben. Doch nach zehn Jahren Ehe war genau das Gegenteil passiert.
Und in der einen Rolle, die die Natur ihr vielleicht zugedacht haben könnte, hatte sie versagt.
Kein Wunder, dass Arnaud ihr gegenüber so gleichgültig geworden war.
Sie trank ihren Kaffee.
Er war kalt.
Schwierig war er immer schon gewesen, diktatorisch. Doch früher hatte sie eine privilegierte Position eingenommen, sie war das Objekt seiner Begierde gewesen, perfekt, unanfechtbar.
Das vergangene Jahr hatte das alles verändert.
Lange Zeit hatte sie sich unbedingt Kinder gewünscht. Dann hatte sie schließlich entdeckt, dass sie schwanger war, und sie hatte sich nicht länger wie eine Napfschnecke
an Arnauds Leben geklammert, sondern Gelassenheit und Sicherheit entwickelt. Das Beste war, dass sie ihrem Mann das Eine schenken würde, was mit Geld nicht zu kaufen war. Er war plötzlich wieder jung, er würde bald Vater werden, er platzte vor unanfechtbarer Männlichkeit. Die Hand auf ihrem wachsenden Bauch, fuhr er sie voller Stolz in London herum. Nie zuvor waren sie sich so nah gewesen, und sie hatten zusammen Möbel fürs Kinderzimmer ausgesucht, Schulen ausgewählt, über Namen diskutiert.
In der achtzehnten Schwangerschaftswoche war sie plötzlich mitten in der Nacht aufgewacht. Zwischen ihren Beinen war Blut, klebrig und warm, und sie wurde von Schmerzen gequält, die ihren Bauch wie eine Faust mit immer festerem Griff umklammerten.
Arnaud war außer Landes. Sie war allein ins Krankenhaus gegangen. Die Entbindung war lang und schmerzvoll.
Sie sah ihr totes Kind nicht, hielt es nicht in den Armen.
Arnaud hatte sich geweigert, über die Fehlgeburt zu sprechen. Stattdessen hatte er ihr den Memoire-Ring gekauft: lupenrein, funkelnd, schrecklich teuer.
Seither quälte die Nacht sie.
Und so saß Olivia mit dem kalten Kaffee in den Händen in dem wunderschönen, im Regency-Stil ausgestatteten blaugoldenen Frühstückszimmer am Chester Square. Hinter ihr, auf dem Kaminsims, tickte laut die grässliche Ormolu-Uhr, die die Comtesse ihnen zur Hochzeit geschenkt hatte.
Fünfzehn Minuten später kam Arnaud herunter. Mit zweiundsechzig Jahren war er immer noch sonnengebräunt und in guter körperlicher Verfassung. Er war ein begeisterter Tennisspieler und hatte je nach Stimmung bis zu drei Jachten in Monte Carlo liegen. Sein schwarzes Haar wurde allmählich schütter. Er ließ es jeden Morgen von seinem Kammerdiener so frisieren, dass es sich über die kahlen Stellen
legte. Jetzt schüttelte er den Kopf, und es fiel an Ort und Stelle.
Olivia strich mit ihren Fingern über ihr Haar, beherrscht von der vertrauten Angst, dass es in seiner Gegenwart nicht zufriedenstellend frisiert war.
Gaunt, der Butler, schritt herein und brachte mit grimmiger Steifheit frischen Kaffee und Toast.
»Guten Morgen, Sir.«
Arnaud brummte.
Gaunt schlich hinaus.
Eine Weile sagte Arnaud nichts, warf seinen Toast beiseite, schlug geräuschvoll die Zeitung auf.
Doch sie musste fragen, natürlich. »Wie hast du geschlafen?«
Er kniff seine schwarzen Augen zusammen und legte die Zeitung beiseite. »Wie ich geschlafen habe? Lass mich dich fragen, was du glaubst, wie ich geschlafen habe?«
»Ich weiß nicht.«
»Schlecht, lautet die Antwort. Schlecht!«
»Tut mir leid«, sagte sie.
»Auf und ab! Auf und ab! Was machst du die ganze Zeit?«
»Ich weiß nicht. Es tut mir leid, Arnaud.«
»Du brauchst Schlaftabletten! Geh zum Arzt, und lass dir Pillen verschreiben.«
»Ja.« Sie starrte unverwandt auf ihren Teller, auf die schwarze Kettenbordüre, die an dem silbrig weißen Rand herumlief.
»Wenn das so weitergeht, lasse ich meine Sachen in ein anderes Zimmer bringen.« Er rückte vom Tisch ab. »Ich muss mich um wichtige Dinge kümmern. Gaunt! Gaunt!«
»Ja, Sir?« Gaunt tauchte wie aus dem Nichts auf.
»Holen Sie mir Mortimer ans Telefon! Ich habe Pollard heute Abend im Garrick ein Abendessen versprochen. Wir
müssen über Marketingstrategien diskutieren.« Er warf seine Serviette weg.
»Ja, Sir.«
»Das Auto soll in vierzig Minuten vor dem Haus stehen.«
»Sehr wohl, Sir.«
»Bist du …« Olivia zögerte.
Er starrte sie an. »Ja? Werde ich was?«
Sie fragte nur ungern; ihre
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