Der Flirt
ihres Stiefels aus. »Bekanntes wird fremd, Vertrautes löst sich auf, Totes erwacht wieder zum Leben. Das« - mit einem Nicken wies sie auf die Karte - »ist eine Einladung. Sie müssen sie nicht annehmen; Sie können sie auch wegwerfen, wenn Sie wollen. Aber, mal ehrlich, was haben Sie denn zu verlieren? Ihr Leben ist im Umbruch, ob Sie es wollen oder nicht.«
Sie ist ziemlich intelligent, dachte Olivia. Und klug.
»Woher wissen Sie das alles?«
»Ich weiß es nicht. Ich denke es mir aus. Wenn ich ehrlich bin« - Ricki lachte schief -, »wurde ich auch schon mal von einem Fremden ins Unbekannte gezogen.«
»Was ist passiert?«
Sie schaute an Olivia vorbei in die Ferne. »Meine Welt hat sich in ihre Bestandteile aufgelöst. Dann hat sie sich wieder zusammengesetzt, aber ganz anders. Und dann«, fügte sie leise hinzu, »hat sie sich wieder aufgelöst.« Sie zuckte die Achseln. »So ist das eben.«
»Ich habe Angst.« Die Worte waren aus Olivias Mund geschlüpft, bevor sie sie aufhalten konnte: klein, kindisch. Hier stand sie, eine vierzigjährige Frau im Morgenmantel, und erzählte ihrer Gärtnerin von ihren geheimsten Ängsten. Es war verrückt.
Doch auch damit ging Ricki ganz gelassen um.
»Ja.« Sie nickte. »Das ist normal. Man müsste verrückt sein, keine Angst zu haben.«
»Aber was soll ich denn machen?« Auch diesmal platzten die Worte heraus, bevor sie sie aufhalten konnte.
»Hier.« Ricki reichte ihr die Gießkanne. »Übernehmen
Sie die hintere Reihe. Und machen Sie sie richtig gut nass.«
Hatte sie richtig gehört?
»Ich soll die Blumen gießen?«
»Ja.« Ricki bückte sich. »Und ich jäte das Unkraut hier.«
Olivia war es nicht gewohnt, von ihrem Personal Anweisungen entgegenzunehmen oder, was das anging, körperliche Arbeit zu verrichten. Doch sie war so verdutzt, dass sie es tat.
Die Sonne war warm, die Erde roch kühl und dunkel und fruchtbar.
Olivia goss.
Ricki jätete.
Zeit verstrich.
Und ganz allmählich vergaß Olivia, Angst zu haben.
Ganz allmählich dämmerte ihr, dass dies tatsächlich ein sehr hübscher kleiner Garten war.
Auf Kosten des Hauses
»Hey, Smith! Was ist los? Du siehst aus, als hätte jemand deinen Hund überfahren!« Marco setzte sich am nächsten Morgen zu Hughie an den Tisch vor dem italienischen Café.
Hughie erzählte ihm von Clara und Malcolm. »Es macht mich einfach traurig. Ich meine, sicher, sie ist keine strahlende Schönheit, aber sie ist eine tolle Frau. Es tut mir weh, wenn sie so außer sich ist.«
Marco nickte.
Dann kam ihm eine Idee.
»Weißt du, was? Weißt du, was ich für dich tue?« Er holte sein Handy heraus und überflog seinen Terminkalender. »Wo, hast du gesagt, arbeitet sie? In der City? Ich habe morgen Nachmittag um drei Uhr einen Termin in der City und danach noch einen um Viertel nach vier, Smith! Da kriege ich sie leicht dazwischen, wenn du willst!«
»Ehrlich?« Hughie war gerührt. »Das würdest du für mich tun? Du weißt, dass ich deinen normalen Stundensatz nicht bezahlen kann …«
Marco versetzte ihm einen Schubs. »Was redest du da? Das geht aufs Haus! Für dich assolutamente kostenlos! Also« - er nahm einen Stift und Papier heraus - »sag mir noch mal, wie die Firma heißt. Und ihren Namen.« Er schlug Hughie auf den Rücken. »Ich sag dir, morgen Nachmittag um fünf Uhr ist sie ein anderer Mensch! Vielleicht probiere ich es bei ihr mit dem internationalen Polospieler;
den habe ich schon lange nicht mehr gegeben. Glaubst du, ich bin braun genug?«
»Eindeutig.«
Hughie schrieb die Einzelheiten auf und gab Marco den Zettel zurück.
»Grazie!«, sagte der, schob den Zettel in seine Brusttasche und stand auf.
»Marco, ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll …«
»Ach, da ist doch nichts dabei. Also, bist du bereit für heute Abend? Es ist eine groß angelegte Operation, die größte, an der ich je beteiligt war.«
»Kann ich mir vorstellen. Es ist alles ein wenig kompliziert.«
»Du wirst großartig sein!« Marco drückte ihm die Schulter. »Und jetzt vergeude keinen Gedanken mehr an deine Schwester, Smith! Ich garantiere dir, morgen wird der aufregendste Nachmittag ihres Lebens!«
Er machte sich auf den Weg, warf sich vor Jovialität stolz in die Brust, und Hughie entspannte sich. Es ging ihm schon erheblich besser. So viel besser, dass er zur Feier des Tages ein frühes Mittagessen bestellte.
Ich bin’s … Emily
Leticia saß neben Leo und hielt seine Hand. »Wie geht es dir, mein Lieber?«
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