Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Flirt

Titel: Der Flirt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Tessaro
Vom Netzwerk:
drehte die Karte um.
    Sie war leer.
    Aber wohin?, überlegte sie. Wohin soll ich mitkommen?
    Sie schob die Eingangstür zu, schloss sie ab und drehte sich um, halb in der Erwartung, dass draußen jemand auf sie wartete.
    Doch da war niemand.
    Die Abendluft war kühl, angenehm, der Himmel war in Orange- und Rottöne getaucht. Die Stoßzeit war vorbei, die Straße war ruhig und leer.
    Plötzlich fiel ihr Blick auf drei langstielige Calla-Lilien auf dem Boden vor ihren Füßen, die so dalagen, dass sie einen Pfeil bildeten, der in Richtung des großen schmiedeeisernen Tors zu den Mount Street Gardens zeigte.
    Ihre Lieblingsblumen!
    Lange konnten sie dort noch nicht liegen, sie waren noch frisch und kühl, als sie sie berührte.
    Woher wusste dieser Mensch das?
    Sie hob die Blumen auf, überquerte die Straße und betrat den Garten. Er war fast verlassen. Hohe Platanen säumten den Weg, und der Trinkbrunnen in der Mitte gluckerte leise. Elegante edwardianische Wohnhäuser aus rotem Backstein säumten den Park auf allen vier Seiten, und an den Wegen standen zahlreiche Holzbänke.
    Olivia wurde von dem Trinkbrunnen angezogen. Dort, am Rand, buchstabiert mit schimmernden neuen Pennys, stand: Wünsch dir was.
    Sie lachte vor Entzücken. Es gehörte sich wohl nicht, die Nachricht zu zerstören, also fischte sie einen Penny aus ihrer Tasche und schloss die Augen.
    »Auf das Unbekannte«, flüsterte sie und warf ihn hinein.
    Dann bemerkte sie, dass auf einer Holzbank eine kleine Flasche Champagner und ein Glas standen. Am Hals der
Flasche hing ein Gepäckanhänger . Darf ich Sie auf ein Glas einladen? , stand darauf.
    Wieder konnte Olivia nicht anders, als vor Freude zu lachen.
    Sie setzte sich und öffnete den Champagner. Das hohe Glas war aus schwerem Kristall, in dem das Licht in Regenbogenfarben tanzte. Mein Verführer, wer immer er auch ist, besitzt Phantasie, Geschmack und Geld, dachte sie, während sie zuschaute, wie der Champagner ins Glas perlte.
    Sie lehnte sich zurück. Ein Luftzug ließ eine Handvoll Laub über den Pfad tanzen. Irgendwo in einer der oberen Wohnungen fing jemand an, Klavier zu spielen, etwas Weiches, Müheloses, jazzig und nostalgisch.
    Da kam durch das hintere Tor ein Penner hereingetrottet.
    O nein, dachte sie. Der Abend war gerade so schön.
    Und tatsächlich, er sah sie mit dem Champagner dasitzen und steuerte schnurgerade auf sie zu.
    Sie versuchte, den Blick abzuwenden, doch er blieb direkt vor ihr stehen und streckte die Hand aus. Darin hielt er eine schmale Schachtel schwarzer Sobranie-Zigaretten.
    »Kann ich Ihnen eine anbieten?« Seine Stimme war überraschend vornehm.
    Olivia starrte ihn an. Woher kannte er ihr kleines Geheimnis?
    »Ja, danke.« Sie errötete und nahm eine.
    Der Penner holte ein ziemlich hübsches silbernes Feuerzeug heraus. »Lassen Sie sich die Zigarette schmecken!« Und zündete sie ihr an, bevor er weiterging.
    Olivia lehnte sich zurück, trank den Champagner und rauchte ihre Zigarette. Sie kam sich vor wie die Schöne in dem Cocteau-Film La Belle et La Bête . Überall um sie herum waren fleißige Wesen damit beschäftigt, ihr jeden Wunsch
von den Augen abzulesen − selbst die Wünsche, von denen außer ihr niemand wusste, wie eine heißersehnte Zigarette. Es war gleichzeitig unwirklich und bezaubernd, die Stadt, die sie so gut kannte, von einem gleichgültigen, gelegentlich feindseligen Ort plötzlich in eine poetische Sinfonie sorgfältig arrangierter Vergnügungen verwandelt zu sehen.
    Jemand hatte sich sehr viel Mühe gegeben. Aber würde er sich zeigen? Sie blickte von einem Eingang zum anderen. Würde er groß sein, klein, jung, alt? War es der geheimnisvolle junge Mann auf dem Fahrrad?
    Das Licht verblasste allmählich.
    Niemand, nicht einmal der Penner mit der Zigarette, kam.
    Olivia trank den Champagner und wartete noch einige Minuten, nur für den Fall, dass sich noch etwas Außergewöhnliches ereignete. Dann wickelte sie das schöne Kristallglas in ein Papiertaschentuch, steckte es in ihre Handtasche und verließ den Park durch das gegenüberliegende Tor.
    Ein schwarzes Taxi fuhr vor. »Olivia?«
    »Ja?«
    Der Fahrer öffnete die Tür. »Chester Square, richtig?«
    »Ja. Aber woher wissen Sie das?«
    »Es ist zu weit, um zu Fuß zu gehen.« Er lächelte. »Sie müssen sich keine Sorgen machen. Ich bin echt. Und der Fahrpreis ist bereits bezahlt.«
    »Von wem?«
    »Keine Ahnung. Funktaxi, sehen Sie?« Er zeigte auf ein Schild an seiner Tür. »Die Zentrale

Weitere Kostenlose Bücher