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Der Flirt

Titel: Der Flirt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Tessaro
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perfekte Plan
    (Hughies Variante)
    Auf der anderen Seite des Chester Square, in der Lyall Street, parkte Hughie sein Fahrrad noch einmal, diesmal vor der Chocolate Society, die unter einem hübschen kleinen braun-golden gestreiften Sonnensegel draußen einige Tische aufgestellt hatte. Dort holte er eine zweite Briefkarte und einen Umschlag von Smythson’s hervor, die er von Flicks Schreibtisch stibitzt hatte. Und während er sich eine dickwandige Tasse dunkler, heißer Schokolade schmecken ließ, machte er sich daran, seine eigene Briefkarte an Leticia zu schreiben.
    Er hatte sie nicht vergessen. Seit dem Tag ihrer Trennung hatte er vielmehr kaum an etwas anderes gedacht. Und jetzt hatte Flick ihm eine Lösung präsentiert. Er würde Leticia als geheimnisvoller Fremder verführen. Bevor sie es wusste, war sie hoffnungslos verliebt, unfähig, den Kunstgriffen der Profis zu widerstehen. Alles, was er tun musste, war, genau das zu kopieren, was Flick sich für Olivia ausgedacht hatte.
    Kein schlechter Plan, gratulierte er sich.
    Leider hatte er einen Stift vergessen, und so musste er sich von dem Mann hinter dem Tresen einen Kugelschreiber borgen. Er war rot. Und seine Handschrift war bei weitem nicht so elegant wie Flicks. Er hatte die schlechte Angewohnheit, alles in Großbuchstaben zu schreiben, was der Briefkarte einen leicht unheimlichen Anstrich verlieh − nicht weit davon entfernt, Buchstaben aus der Zeitung auszuschneiden
und aufzukleben. Erst nachdem er eine Ecke versehentlich mit bester belgischer Schokolade verschmiert hatte, fiel ihm wieder ein, wie wichtig Handschuhe waren und was für ein Theater Flick darum gemacht hatte. Doch Flick war eine Frau, und Frauen neigten dazu, bei den Details ein wenig zu übertreiben. Da er nur eine einzige Briefkarte stibitzt hatte, wischte er den Fleck weg, so gut er konnte, und steckte die Karte in den Umschlag.
    Und weil er mit den Gedanken nicht recht bei der Sache war und weil die Kellnerin gerade die Rechnung gebracht hatte (wer hätte gedacht, dass eine Tasse heißer Schokolade so teuer war?), kritzelte er »OLIVIA« auf den Umschlag.
    »Verdammt!« Er strich es durch und schrieb »LETICIA« darunter und fügte dann, nur für den Fall, dass das nicht recht überzeugend war, in denselben hölzernen Großbuchstaben »NICHT OLIVIA − ICH KENNE SIE NICHT MAL« hinzu.
    So.
    Vielleicht nicht ganz so beeindruckend wie Flicks Werk, doch gewiss tiefer und aufrichtiger empfunden.
    Doch die Zeit wurde knapp. Flick erwartete ihn bald zurück im Büro. Also sprang Hughie wieder auf sein Fahrrad und entfernte sich, so schnell er konnte, von der Chocolate Society (er hatte genug Kleingeld gehabt, um ein großzügiges Trinkgeld dazulassen, doch nicht genug, um die Rechnung zu begleichen) und radelte über die Brücke nach Pimlico, um seine Liebesbotschaft bei Leticia einzuwerfen.
     
    An diesem Abend saßen zwei sehr unterschiedliche Frauen, die kaum mehr trennte als einige innerstädtische Straßenzüge und mehrere Milliarden Pfund, allein in ihrem Schlafzimmer und dachten über einen seltsamen Brief nach, der in der scheinbar hoffnungslosen Landschaft ihres Lebens eingeschlagen
war wie eine Bombe. Draußen färbte die Abenddämmerung den Himmel in Schattierungen von Rosa, Mauve und tiefem Purpurrot, und der Herbst machte die Luft schneidender, frischte auf im Wechsel der Jahreszeiten. Drinnen setzte sich die Beschleunigung in der Phantasie von Olivia und Leticia fort, die verwundert auf die Briefkarten blickten, die an diesem Tag von einem Boten gebracht worden waren.
    Beide Frauen standen vor einem Rätsel, waren verdutzt, die eine ein wenig besorgt, die andere eher fasziniert.
    Beide Frauen schauten mehrere Minuten aus dem Schlafzimmerfenster und überlegten, ob irgendwo dort in der wachsenden Dämmerung der Verfasser dieses Briefes wartete, womöglich sogar von der schwach beleuchteten Straße zu ihrem Fenster heraufschaute.
    Und beide Briefe enthielten nur eine einzige Zeile:
    Ich habe immer gewusst,
dass ich dich eines Tages finden würde.
    »Und was machen wir jetzt?«
    »Nichts.« Flick lächelte. »Oh, wir müssen für unsere nächsten Hinweise recherchieren, aber fürs Erste lassen wir sie einfach warten. Vergessen Sie nicht, was ich gesagt habe, Hughie: Es geht um Unerschrockenheit und Nichtverfügbarkeit. Wir haben ein Statement abgegeben. Das lassen wir jetzt eine Weile wirken, damit es in ihrer Phantasie an Macht gewinnt. Wenn dann eine winzige Geste folgt, wird

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