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Der Flirt

Titel: Der Flirt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Tessaro
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Sanft streichelte sie seine Wange. »Ich bin’s … Emily.«
    Seine Haut war kalt. Sie legte noch eine Decke über ihn.
    »Soll ich dir etwas zeigen? Vielleicht interessiert es dich ja. Es ist gestern gekommen.« Leticia holte die Karte aus ihrer Handtasche. »›Ich habe immer gewusst, dass ich dich eines Tages finden würde.‹ Seltsam, meinst du nicht? Ich denke, sie ist einfach so gekommen, aus heiterem Himmel. Aber bevor du in Verzückung darüber gerätst, wie romantisch das ist, schau, hier in der einen Ecke ist ein Fleck. Und jetzt riech mal dran, das ist Schokolade! Und bitte wirf einen Blick auf die Handschrift. Gruselig, oder? Ich bin mir sicher, die habe ich schon mal irgendwo gesehen.« Sie drehte die Karte um. »Natürlich weißt du, an wen sie mich erinnert.« Ihre Miene verfinsterte sich. »So etwas hat er immer gemacht.«
    Sie schwieg eine Weile.
    »Ich nehme an, es könnte Hughie sein«, sagte sie und strahlte. »Obwohl es für einen Internatsschüler ziemlich kreativ wäre, findest du nicht? Ich habe dir doch erzählt, dass ich mich von ihm getrennt habe. Was für eine Katastrophe! Du hattest natürlich recht. Ich hätte gleich die Finger von der ganzen Sache lassen sollen. Und jetzt stiefelt andauernd dieser Klempner durch den Laden, und ich
habe Probleme mit der Bank …« Sie drückte seine Hand fester. »Ich weiß nicht, was in letzter Zeit mit mir los ist. Es kommt mir fast vor, als hätte ich die Orientierung verloren. Eine Weile hatte ich das Gefühl, ich wüsste, was ich tue, aber jetzt …«
    »Ms. Vane?«
    Sie schaute auf.
    Es war die Stationsschwester. »Die Besuchszeit ist jetzt zu Ende.«
    »Ja. Okay.« Sie stand auf und zog den Mantel an. »Was sagst du? Morgen zur gleichen Zeit am gleichen Ort, Eure Lordschaft?«
    Die Krankenschwester steckte die Decke fest und legte Leos Hände behutsam darauf.
    »Ich nehme das als Ja.« Leticia ging zur Tür.
    Sie blieb stehen und machte der Krankenschwester ein Zeichen, und diese kam zu ihr herüber.
    »Was glauben Sie, wann kommt er raus?«, flüsterte sie.
    »Schwer zu sagen. Er ist stabil.«
    »Wie lange … ich meine, Sie glauben doch, dass er rauskommt, oder?«
    Sie sah Leticia freundlich an. »Schwer zu sagen«, sagte sie noch einmal.
    »Glauben Sie, er kann mich hören?«
    »Ja.« Ihre Stimme war fest, beruhigend. »Das glaube ich sehr wohl.«
    »Oh! Das hätte ich beinahe vergessen.« Leticia kramte in ihrer Handtasche und holte ein verblasstes Foto heraus: ein ernstes, unscheinbares junges Mädchen und ein eleganter, grauhaariger Mann. Sie stellte es auf den Nachttisch, beugte sich über Leo und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. »Ich dachte, das entlockt dir vielleicht ein Lächeln, wenn du aufwachst.«

    »Wollen Sie die hier wieder mitnehmen?« Die Krankenschwester hielt die anonyme Karte hoch.
    Leticia schaute darauf, richtete den Blick dann auf die Krankenschwester, auf das Bett, auf Leo, weit weg, unerreichbar. Eingehüllt in einen fortdauernden Schlaf, von zahllosen piependen Gerätschaften umgeben, die ihn am Leben hielten.
    »Nein, danke. Die ist nicht wichtig.«

Komm mit mir
    Es war gerade sieben Uhr geworden, und Olivia schloss die Galerie. Ihre Schritte hallten durch die kühlen, weißen Räume, als sie Lichter ausschaltete und Türen überprüfte. Es war eine Stunde des Tages, für die sie ein gewisses Faible hatte − eine Zeit, in der, wie sie sich vorstellte, die meisten Menschen entweder nach Hause zu ihrer Familie oder aus dem Haus gingen, um einen Abend in der Stadt zu verbringen. Wenn sie die Galerie verließ, würde sie, wie sie nur allzu deutlich wusste, nach Hause gehen und das Haus am Chester Square unübersehbar leer vorfinden. Und obwohl jede Woche stapelweise Einladungen kamen, hatte sie keine Lust, auszugehen. Gegen Einsamkeit kann auch eine Menschenmenge nichts ausrichten.
    Also trödelte sie herum und zog die letzten kleinen Pflichten in die Länge − spülte die Teebecher und sortierte die Handzettel auf dem Tisch im Empfangsbereich, bis schließlich nichts mehr zu tun war. Sie holte ihre Handtasche aus dem Büro, schaltete die letzten Lampen aus und wollte gerade die Eingangstür öffnen, da erspähte sie etwas auf dem Boden.
    Als sie es aufhob, machte ihr Herz einen Satz. Es war dasselbe cremefarbene Briefpapier von Smythson’s wie beim letzten Mal! Jemand musste ihn gerade eingeworfen haben.
    Sie riss den Umschlag auf. Darin war eine Karte, auf der in derselben Handschrift stand:
    Komm mit mir.
    Sie

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