Der Flirt
damit: Sie ruhen sich aus und erholen sich, und ich schaue ab und zu rein und überzeuge mich davon, dass Sie etwas zu essen haben und dass es Ihnen gut geht, dass Sie nicht im Wohnzimmer bewusstlos auf dem Boden liegen und so weiter?« Er runzelte die Stirn. »Ist das deutlich genug?«
Sie wurde einfach nicht schlau aus dem Kerl. Er schien sich wirklich Sorgen um sie zu machen. Und aus irgendeinem Grund machte ihr das Angst.
Sie wollte die Hände in die Hüften stemmen und ihm die Meinung sagen, doch das erforderte mehr Energie, als sie besaß. Sie musste sich tatsächlich hinsetzen. »Sehen Sie, ich begreife das nicht! Was haben Sie davon?«
»Nichts.«
»Und warum tun Sie’s dann?«
»Weil Sie Hilfe brauchen.«
Das war keine logische Antwort. Sie machte sie wütend. Oder eher nachdenklich.
»Aber warum? Sie sind weder mit mir verwandt noch verschwägert, und es ist auch nicht Ihr Beruf.«
Er zuckte die Achseln. »Es geht im Leben nicht immer nur um den Beruf.« Er überraschte sich selbst. »Ich meine, es geht um mehr. Vielleicht.«
Sie kniff die Augen zusammen. »Rechnen Sie sich etwa Chancen aus?«
Er fand das urkomisch. »Nur zu Ihrer Information, Sie haben Erbrochenes auf dem Kragen, Ihre Haare sehen aus wie das falsche Ende eines Besens, und, nur fürs Protokoll, Sie sind eine der griesgrämigsten Personen, die mir im Leben je begegnet sind! Es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen, aber Sie sind wohl kaum die Frau meiner Träume.«
»Oh, ehrlich?« Das war ihr letzter Strohhalm gewesen.
»Ehrlich. Also, soll ich Ihnen jetzt Wasser einlaufen lassen, oder machen Sie das selbst?«
»Das mache ich selbst«, murmelte sie, tastete sich ins Bad und knallte die Tür hinter sich zu. Sie drehte die Wasserhähne auf und warf einen Blick in den Spiegel. Er hatte recht: Sie hatte Erbrochenes auf der Brust, ihre Augen waren mit Mascara verschmiert, und ihr Kopf sah aus wie der einer ausgemachten Vogelscheuche.
Mist.
Wie hatte ihr Leben so den Bach runtergehen können?
Kurz darauf klopfte es an der Tür. »Darf ich?«
Er schob die Tür einen Spalt auf und reichte ihr einen dampfenden Becher Tee. »Das Erste, was ich einkaufe, sind Teebeutel. Loser Tee und Tee-Eier! Sie machen sich das Leben vielleicht unnötig schwer.«
Die Tür ging zu.
Leticia saß da und hielt den Teebecher umklammert.
Da mochte er nicht unrecht haben.
Internationaler Polospieler
Marco war so beeindruckt und, ganz offen gestanden, überrascht über sein großzügiges Angebot, dass er beschloss, sich an diesem Tag gleich als Erstes um Clara Venables-Smythe zu kümmern. Je eher er dies erledigte, desto früher konnte er alle mit Geschichten über seine Generosität erfreuen.
Also stürzte er sich nur mit der Adresse ihres Arbeitsplatzes und einer kurzen Beschreibung von ihr in die PR-Agentur Blare & Boom in der City und machte sich daran, mit der Empfangsdame zu flirten. Unter dem Vorwand, er habe am Abend ein Blind Date mit ihr, überredete er sie, ihm Clara zu zeigen, und als die Mittagspause anfing, wies die Empfangsdame verstohlen auf eine große, joviale junge Frau mit einem rotblonden Bubikopf, die wie eine Stewardess aus den siebziger Jahren mit einem marineblauen Kostüm und Pumps bekleidet war.
Marco folgte ihr aus dem Gebäude und um die Ecke, wo sie stehen blieb, um sich ein Schinkensandwich und eine Tasse Tee zu besorgen, und dann zum Zeitungshändler, wo sie den Evening Standard kaufte. Danach überquerte sie die Straße und ging mit forschen Schritten den Block hinunter in den Finsbury Circus, wo sie sich auf eine versteckte Bank setzte, um ihr Mittagessen zu essen.
Dort näherte Marco sich ihr.
»Scusi?« Er grinste und schob sich seine wunderbaren
schwarzen Locken aus den Augen. »Ob Sie mir vielleicht helfen können?«
Clara schaute auf.
Marco starrte sie sehnsüchtig an.
Die Zeit schien stillzustehen.
Das heißt, bis Clara die Augen verdrehte. »Ja, was wollen Sie?«
Marco lächelte noch breiter. »Sehen Sie, bella , ich habe mich ein wenig verlaufen. Ich suche die Roehampton Street. Ich habe eine sehr wichtige Verabredung …«
»Die ist da drüben«, sagte sie und zeigte nach links.
»Ah! Bravo! Ich war mir sicher, dass Sie mir helfen können!« Er lachte. »Sie sind so etwas wie mein Schutzengel!«
Sie zuckte zusammen.
Das erschütterte Marco. Noch nie war eine Frau in seiner Gegenwart zusammengezuckt.
»Sehen Sie« - er warf sein Haar nach hinten und reckte sein ansehnliches Kinn in die Luft
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