Der Flirt
Lewis übergeben«, schrieb der Arzt, »für mindestens die nächsten achtundvierzig Stunden.«
»Achtundvierzig Stunden! Ich soll achtundvierzig Stunden mit … mit … einem Fremden verbringen! Sie verstehen das nicht; ich habe diesen Mann eben erst kennengelernt!«
»Ich stelle mich nicht zu meinem eigenen Spaß zur Verfügung«, erklärte Sam. »Es ist nicht so, als wüsste ich mit meiner Zeit nichts Besseres anzufangen.«
»Dann machen Sie das doch!«, giftete sie ihn an. »Ich bin schließlich kein Invalide.«
»Eigentlich«, mischte der Arzt sich ein, »sind Sie genau das.« Müde rieb er sich die Augen. »Wir haben eigentlich nicht genügend Betten, um Sie hierzubehalten, außer die Computertomographie zeigt schwere Verletzungen. Also schlage ich vor, Sie nehmen das großzügige Angebot dieses Gentlemans an und einigen sich irgendwie.«
»Wenn ich Ihnen wirklich etwas tun wollte, hätte ich mir doch nicht die Mühe gemacht, einen Krankenwagen zu rufen, oder?«, fragte Sam.
»Genau.« Der Arzt warf ihre Krankenakte aufs Bett. »Also, wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen, ich muss mich um eine Stichverletzung, das Opfer eines Raubüberfalls, zwei Patienten mit Überdosis und mindestens vier Alkoholvergiftungen kümmern. DJ! Bringen Sie diese Frau bitte rauf zum CT!«
Sam setzte sich wieder und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich bin hier, wenn Sie wiederkommen.«
»Na toll«, murmelte sie, als der Hilfspfleger, ein junger Bursche mit einem iPod im Ohr, mit federnden Schritten herbeieilte und dem fahrbaren Bett einen solchen Schubs gab, dass es den halben Flur hinunterrollte.
»Hey! Sachte, ja!«, rief Sam.
Der Bursche streckte seinen langen Arm aus und verhinderte gerade rechtzeitig einen Frontalzusammenstoß zwischen ihr und einem Rentner im Rollstuhl, bevor er sie geschickt um die Ecke schob − und all das zum pulsierenden Rhythmus von 50 Cent , dem Gangsta-Rapper.
Es passte Leticia ganz und gar nicht, in die Obhut des Klempnermeisters Sam Lewis übergeben zu werden.
Mürrisch schweigend starrte sie aus dem Fenster seines
weißen Transit-Lieferwagens. Der Morgen brach herein, die Straßen waren leer, kalt. Sie fuhren vor ihrer Wohnung in Pimlico vor.
»Da wären wir.« Sam ging um den Wagen, öffnete ihr die Tür und hielt ihr den Arm hin. »Bitte.«
»Nein. Ich komme zurecht.« Sie hatte Mühe beim Aussteigen, sie war schrecklich müde, und der Weg schien kilometerweit weg zu sein. Widerstrebend nahm sie seinen Arm. »Danke.«
Sie öffnete ihre Handtasche und kramte darin herum. »Verdammt! Ich habe meinen Schlüssel verloren!«
Sam nahm ihn aus seiner Tasche. »Sie haben ihn im Laden liegen lassen. Ich war gerade auf der Suche nach Ihnen, weil ich ihn Ihnen bringen wollte, als Sie den Unfall hatten.«
»Tatsächlich?«, fragte sie verlegen.
»Lassen Sie mich das machen.« Er schloss die Haustür auf und half ihr die Stufen hinauf.
»Wunderbar. Okay. Vielen Dank für Ihre Hilfe.« Sie blieb im Flur stehen und streckte die Hand aus. »Ab hier kann ich übernehmen.«
»Oh, wirklich?« Er lächelte. »Und das aus dem Mund der Frau, die auf dem Krankenhausparkplatz in die Mülltonnen gerannt ist.« Er griff an ihr vorbei und schloss die Wohnungstür auf.
»Eine vorübergehende Orientierungslosigkeit.«
»Sie haben sich bei den Tonnen entschuldigt. Sehr höflich, muss ich sagen.« Er schob sie in die Wohnung. »Ich hätte nichts dagegen, wenn Sie baden würden. Und wo ist der Teekessel?«
»Oh, bitte!«, fuhr sie ihn an. »Fühlen Sie sich ganz wie zu Hause, warum nicht?«
Er sah sich in dem Wohnzimmer mit dem marmornen Kamin, dem polierten Parkettfußboden und den beiden zierlichen
kornblumenblauen Empire-Sesseln um. »Vielen Dank, Marie Antoinette. Ich will mir Mühe geben.«
»Ich will nicht, dass Sie hierbleiben, haben Sie verstanden?«
»Sie haben nicht mal ein Sofa. Was soll ich machen? Mich wie eine Katze auf einem dieser Sessel zusammenrollen? Es mag Sie überraschen, aber ich habe auch ein Zuhause.«
»Ich wollte nur deutlich machen, was ich nicht dulde.«
»O ja?« Er sah sie amüsiert an, lehnte sich an den Kaminsims und verschränkte die Arme vor der Brust. »Dann lassen Sie uns das doch mal klären. Welche Voraussetzungen muss jemand erfüllen, der bereit ist, Ihnen zu helfen?« Er tat absichtlich so, als hätte sie ihn auf dem falschen Fuß erwischt.
»Sie müssen nicht gleich beleidigt sein! Ich versuche nur, eine Grenze zu ziehen.«
»Wie wär’s
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