Der Flirt
geben mir nicht mal eine Chance!«
»Aber Sie sind doch geisteskrank, oder?«
Marco versuchte es mit einer anderen Taktik. »Ich bin zurückgekommen, um mich zu entschuldigen. Sie haben recht, ich bin kein Polospieler.«
»Das habe ich schon gewusst.«
»In Wirklichkeit bin ich Architekt. Ich arbeite hier an einem großen Projekt für die City of London.«
»An welchem Projekt?«
Darauf würde er kein zweites Mal hereinfallen. »Das ist streng geheim.«
»Verstehe.« Sie lächelte.
»Sie glauben mir nicht.«
»Nein.«
Das war doch zum Aus-der-Haut-Fahren! »In Ordnung« - er warf noch einmal sein Haar zurück (er hatte die Angewohnheit, sein Haar zurückzuwerfen, wenn er nervös war) -, »ich erzähle es Ihnen, aber Sie müssen mir versprechen, es niemandem zu verraten. Wir bauen eine riesige … eine riesige …« Marcos Gehirn überschlug sich. Eine Kuppel? Eine Brücke? »Also, wir bauen eine riesige Pyramide!«
»Ehrlich?« Endlich wirkte sie beeindruckt.
»Ja.« Er lehnte sich lässig an die Bank. »Im Zentrum des Hyde Park. Ich benutze nur Glas und Aluminium. Kühn, aber eindrucksvoll. Sie wird grandios!«
Sie nickte. »Ich frage nur, weil ich im Bereich Öffentlichkeitsarbeit tätig bin und ab und an für das Royal Parks Press Office Medienanfragen bearbeite. Ich bin mir sicher, irgendjemand hätte es mir gegenüber erwähnt, wenn Sie im Hyde Park eine riesige Pyramide bauen würden.« Sie stand auf, faltete die Zeitung zusammen, klemmte sie sich unter den Arm und warf den Rest ihres Mittagessens weg. »Es war faszinierend, Sie kennenzulernen, geisteskranker Italiener. Wahrscheinlich wäre es gut, wenn Sie jetzt Ihre Medikamente nehmen würden. Ciao!«
Sie ging mit langen, energischen Schritten davon.
In seiner ganzen Karriere war man ihm noch nie mit so viel Widerstand, solcher Starrköpfigkeit und so viel Spott begegnet! Unerhört! Unmöglich!
War dieses vollkommen gewöhnliche Geschöpf womöglich immun gegen seinen Charme?
Plötzlich spürte er ein schmerzhaftes, brennendes Ziehen in seiner Brust.
Marco brach auf der Bank zusammen und presste die Hände auf die Brust.
Hatte er einen Herzinfarkt?
Nein − das Gefühl verstärkte sich, erfüllte seinen ganzen Körper mit dem köstlichen Schmerz reinen animalischen Verlangens.
Das war das Gefühl, von dem er sein Leben lang geträumt hatte − die Erregung der Jagd. Der schwer fassbare Schmerz unerwiderter Liebe! Endlich eine Frau, der er nachstellen konnte!
»Mein Gott!«, keuchte er, euphorisch vor längst verschollen geglaubter Hoffnung. »Es gibt sie wirklich! Hier ist sie! Meine perfekte Frau lebt!«
Wenn sie nur nicht davon überzeugt wäre, dass er geisteskrank war.
Leticia isst
Nach dem Baden schlief Leticia erst einmal eine Weile. Irgendwann am frühen Nachmittag wachte sie beim Duft von gebratenem Speck und Würstchen auf.
Jemand kochte?
In ihrer Wohnung?
Sie warf sich einen Morgenmantel über und wankte in die Küche. »Was machen Sie da?«
»Frühstück.« Sam wendete die Würstchen. »Möchten Sie auch Bohnen? Ich esse welche.«
Entsetzt sah sie zu, wie er eine Dose gebackener Bohnen öffnete.
Leticias Küche war noch nie zur Vorbereitung einer Mahlzeit benutzt worden; in den drei Jahren, die sie hier lebte, hatte sie nicht einmal den Herd eingeschaltet. Ihre Eine-Mahlzeit-am-Tag-Regel bedeutete, dass sie kaum noch wusste, was Kochen war. Mit der Zeit hatte sie die Küche als eine Art wunderliche historische Ausstattung betrachtet, die man eher aus Zuneigung behielt denn aus Notwendigkeit. Es war verwirrend, ja sogar bestürzend, dass jemand tatsächlich darin herumwerkelte. Auf der Kochmulde standen zahlreiche Töpfe und Pfannen, in denen es brodelte und zischte, auf der Arbeitsplatte drängten sich Einwickelpapiere und schmutziges Besteck. Mein Gott! Selbst der Grill war eingeschaltet! Und überall Nahrungsmittel: weißes Brot, eine dicke Scheibe Butter, Chipolatas, Pilze, Tomaten …
»Woher haben Sie das alles?«
Er rüttelte kräftig an der Pfanne. »Aus einem Laden, meine Liebe. Einem Lebensmittelladen. Sie hatten ja nichts im Kühlschrank. Eine halbe Zitrone und eine Flasche Wodka.« Er nahm zwei Teller aus dem Schrank. »Also, Rührei oder Spiegelei?«
»Was?«
»Eier? Wie wollen Sie Ihre Eier?«
Sie schnappte deutlich hörbar nach Luft.
»Okay, Rührei«, meinte er. »Setzen Sie sich.« Er steckte zwei Scheiben Brot in den Toaster.
Leticia setzte sich. Bildete sie sich das ein, oder sah Sam
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