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Der Flirt

Titel: Der Flirt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Tessaro
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Sinn.
    Olivia riss die Salontüren auf.
    Vor Sorgen und angespannten Nerven pochte ihr der Schädel.
Niemals hätte sie sich vorgestellt, dass sie als Vorsitzende der Galerie so viel praktische Arbeit verrichten müsste. Und jetzt steckten sie plötzlich in der Krise, und Simon hatte sich mit der Bitte um Hilfe ausgerechnet an sie gewandt. Sie hatte schon Dutzende von Mappen gesehen, von denen keine ihr geeignet erschienen war. Die Hoffnung schwand. Sie würden niemals rechtzeitig einen würdigen Ersatz finden.
    Es war an der Zeit, den Tatsachen ins Auge zu sehen.
    »Die Sache ist die, Simon«, erklärte sie, »wir brauchen eine originelle Aussage, nicht nur einen würdigen Kandidaten, sondern einen außergewöhnlichen, der etwas Kühnes zu sagen hat. Aber die Chance, dass wir so kurzfristig einen Künstler dieses Kalibers finden …«
    Sie hielt inne. Über dem Kaminsims hatte etwas ihre Aufmerksamkeit erregt.
    »Witziger Zerrspigel«, stand in akkurater, kindlicher Handschrift auf einer kleinen Karteikarte. Weiter unten an den Porzellanfiguren war eine weitere.
    »Schnick-Schnack.«
    Und auf der Sammlung von Schnupftabaksdosen: »Krimskrams«.
    Sie drehte sich um.
    Kleine Karteikarten überall!
    »Kautsch.«
    »Schäselong.«
    »Ein halber Tisch.«
    »Mein Gott!«, keuchte Simon. »In Ihrem Haus waren Vandalen! Soll ich die Polizei rufen?«
    Olivia reagierte nicht.
    Sie starrte auf die Fotos in den Silberrahmen.
    »Ein Haufen Fremder«, hieß es da.
    Ein Haufen Fremder!
    Wer hatte das gemacht?

    Was bedeutete es?
    Sie konnte sich des absonderlichen Gefühls nicht erwehren, ihre Verwandten zum ersten Mal im richtigen Licht zu sehen.
    »Noch ein blöder Stuhl …«, murmelte sie und las die Karten laut vor. »Geheimtür?« Es verschlug ihr den Atem. »Sein Thron und ihr Thron!«
    Wie grauenvoll!
    Wie aggressiv!
    Wie zutreffend!
    Simon hatte recht: Das hier war Vandalismus. Doch es war noch mehr.
    Der Raum war genau so, wie sie ihn verlassen hatte, bis auf die geheimnisvollen Karteikarten. Eigentlich hatte sich nichts verändert. Und doch war die Perspektive plötzlich unwiederbringlich verrückt. Es war ekelhaft, schockierend, raffiniert.
    Simon versuchte erfolglos, ein Lachen zu unterdrücken. »Sieh dir die hier an!« Er zeigte auf den Bildband von Helmut Newton. »Das ist explosiv!«
    »Ich fand das Buch schon immer schrecklich.«
    »Ehrlich?« Er blätterte verstohlen darin. »Ich finde es irgendwie sexy.«
    Olivia packte ihn am Arm. »Das ist phänomenal!«
    »Ja. Die Rechtschreibung ist miserabel, und diese Handschrift!«
    »Hast du gesagt, Mona würde jemanden schicken?«
    »Ja …«
    »Glaubst du?«
    Er machte große Augen. »Nein!«
    »Was soll das denn sonst sein?«
    »Eine Installation! Mein Gott! Wie ungewöhnlich! Die Absurdität … reinstes Dada!«

    »So etwas ist mir noch nie untergekommen«, pflichtete sie ihm bei.
    In einer Ecke hockte eine schmächtige Gestalt.
    »Mein Gott, die Künstlerin.« Olivia zeigte auf die junge Frau. »Wie jung sie ist!«
    Sie traten näher.
    »Hallo!« Olivia lächelte strahlend.
    »Wie nennen Sie das hier?«
    »Verzeihung?«
    »Der Name des Werkes hier«, sagte Simon langsam und deutlich. »Hat es einen Namen?«
    Eine dicke Träne rollte der jungen Frau über die Wange. »Ich verstehe bloß nicht … Ich meine, was hat es für einen Sinn, noch weiterzumachen?«
    Ihre Worte durchschnitten Olivia wie ein Messer.
    »Was für einen Sinn hat es, noch weiterzumachen?«, wiederholte sie.
    Selten hatte etwas in ihrem Leben sie mit solcher Wucht getroffen. Ein schreckliches Gefühl der Durchsichtigkeit überkam sie.
    Das war es. Die Welt, die zu schaffen sie sich bemühte, ihr öffentliches Gesicht in seiner ganzen verzweifelten Vornehmheit und Prahlerei. Wie konnte diese Fremde, die im Grunde kaum mehr war als ein Teenager, so exakt den Finger auf die Leere hinter der Oberfläche legen?
    Was sollte das alles, in der Tat?
    Olivia hockte sich neben das Mädchen. »Ich kann gar nicht sagen, wie sehr ich das bewundere, was Sie hier gemacht haben.«
    Das Mädchen blinzelte.
    »Sehen Sie doch, Simon, die Details! Selbst das Kostüm, das sie trägt!«
    »Ja, schrecklich! Wie heißen Sie?«

    »Rose.« Sie mühte sich auf die Füße. »Rose Moriarty.«
    »Oh, meine Liebe. Haben Sie noch einen anderen Namen? Namen sind in diesem Geschäft sehr wichtig, verstehen Sie.«
    »Manchmal nennen die Leute mich Red.«
    »Das ist gut!«
    »Aber ich mag es nicht«, fügte sie hinzu.
    »Egal. Red

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