Der Flirt
schließlich Schauspieler und war seltsame Stegreif-Improvisationen gewohnt. Abgesehen davon konnte ein Job, für den neben absoluter Diskretion auch ein Liebes-Lebenslauf erforderlich war, doch zwangsläufig nicht anders sein als ein wenig unorthodox.
Er schaute auf seinem Handy noch einmal nach der Uhrzeit. Jeden Augenblick würde der Mann, mit dem er gesprochen hatte, hier sein.
Dann setzte sich eine rothaarige Frau neben ihn, schlug eine Zeitung auf und fing an zu lesen. Hughie war ein wenig besorgt. Das war das Problem, wenn man sich in der Öffentlichkeit bewegte, nämlich die Öffentlichkeit. Sollte er sie bitten, sich woanders hinzusetzen? Vielleicht sollte er auch warten, bis der Mann kam, und dann weitersehen?
Plötzlich summte sein Handy. Eine SMS.
Sie lautete: Flirten Sie mit der Frau neben Ihnen. Ihr Bewerbungsgespräch hat begonnen.
Hughie blinzelte.
Flirten?
Er las die Nachricht noch einmal.
Dann linste er zu der Frau hinüber, die ihre Zeitung las. Sie war ungefähr Mitte fünfzig und sah in ihren vernünftigen Kleidern aus wie die Freundinnen seiner Mutter. Eindeutig nicht der Typ Frau, mit dem er freiwillig flirten würde. Nicht dass er überhaupt viel flirtete. Normalerweise lautete sein einleitender Schachzug »Hey« oder etwas in der Art. Und manchmal fügte er noch »Hübsche Schuhe« hinzu.
Nur für den Fall schaute er zu ihren Füßen hinunter. Sie trug flache, schwarze Mokassins, die seine Mutter als »Autofahrschuhe« bezeichnen würde. Das wusste er, weil es ihr liebstes Schuhwerk war. Das Original war von Todd’s, doch seine Mutter kaufte sie in großen Mengen in einer Vielzahl knallbunter Farben bei Mark’s & Spencer. Unwillkürlich
kroch ihm ein Frösteln den Rücken hinauf. Wie sollte er bloß mit einer Frau flirten, die sich kleidete wie seine Mutter?
Sein Handy summte wieder.
Eine zweite SMS.
Es gibt ein Zeitlimit.
Hughie schob das Handy in seine Tasche. Wurde er gefilmt? War das so eine Art Reality-Show fürs Fernsehen? Was auch immer es war, er hatte zwei Möglichkeiten: mitzuspielen oder aufzustehen und wegzugehen.
Nun, er war hier, geschniegelt und bereit. Außerdem würde er von Clara etwas zu hören bekommen, wenn er einfach davonspazierte. Er warf noch einmal einen raschen Blick auf die Frau. Sie war gar kein so schlechter alter Vogel. Ihre Augen blickten ziemlich freundlich, und sie hatte wenigstens keine entstellenden Gesichtszüge − Leberflecken, Schnurrbart oder Ähnliches.
Trotzdem wusste er immer noch nicht, wie er anfangen sollte. Seine früheren Eroberungen waren entweder von Begierde oder Alkohol angeheizt gewesen. Er versuchte sie anzulächeln, doch sie achtete nicht auf ihn. Er brauchte einen Eröffnungszug. Etwas, was sexy war.
Die Frau schaute auf ihre Uhr, schlug ihre Zeitung zu, schob sie in ihre Tasche …
Da fiel Hughie etwas ins Auge.
»Gott! Verzeihen Sie bitte … sind das die Kricket-Ergebnisse?«
Die Frau schaute zu ihm auf. »Wie bitte?«
»Tut mir leid.« Er grinste. »Ich bin unhöflich, ich weiß. Es ist nur« - er wies auf ihre Zeitung -, »das kann doch unmöglich das Kricket-Ergebnis sein! Ich meine, das ist doch England, oder? Ich träume nicht, oder? Wann haben Sie das letzte Mal so ein Ergebnis gesehen?«
Die Frau holte die Zeitung wieder aus ihrer Tasche, schlug sie auf und lachte. »Ich weiß nicht. Ich interessiere mich nicht für diesen Sport.«
»Darf ich? Hübsche Schuhe übrigens.«
»Oh! Danke. Sicher dürfen Sie.« Sie reichte ihm die Zeitung, und er nahm sie und fuhr dabei zart mit den Fingern über ihre Hände.
»Shane Warne! Gott, diese Zahlen sind verrückt! Ich wette, er hat einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. Sie interessieren sich also nicht für Kricket? Für welchen Sport begeistern Sie sich denn? Warten Sie« - er hielt eine Hand hoch -, »lassen Sie mich raten! Fußball! Beckhams neuester Haarschnitt, Tätowierungen, Modeeskapaden!«
»Gütiger Himmel, nein!« Sie lachte wieder. »Das ist überhaupt nicht mein Ding.«
»Dann Rugby. Muskulöse Männer in engen Hosen.«
»Nicht hart genug.«
»Tennis.«
Sie rümpfte die Nase.
»Golf!«
Sie tat, als müsste sie gähnen.
»Die Meisterschaft im tibetischen Ziegenweitschleudern!«
»Nur die Tibeter wissen, wie man eine Ziege wirklich weit schleudert.« Sie seufzte wehmütig.
»Sie haben offensichtlich noch nie gesehen, wenn die Spanier es versuchen.«
Sie lachte.
Er spürte, wie seine flatternden Nerven sich beruhigten.
Eigentlich war es
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