Der Flirt
Armstrong Venables-Smythe. Also, geben Sie mich nicht auf, Rose, ja? Ich komme gleich morgen früh her, Sie haben mein Wort.« Und er schob sich seine Ausgabe der Stage unter den Arm und ging.
Draußen hob er einen abtrünnigen Apfel auf, der außer Sichtweite des Obstverkäufers an der Ecke gerollt war, rieb ihn an seiner Jeans sauber, biss hinein und dachte, während er nach Hause schlenderte, über die Anzeige nach.
Unregelmäßige Arbeitszeiten. Großzügiges Salär. Das klang doch so, als wäre es genau das Richtige für ihn. Aber am aufregendsten fand er »moralisch flexibel«. Zunächst einmal war er sich nicht sicher, ob er überhaupt irgendeine Moral besaß. Wie konnte man das heutzutage wissen? Was waren die Kriterien? Abgesehen von den allzu offensichtlichen Richtlinien (Würde man jemanden töten? Wie stand man dazu, alte Menschen zu bestehlen?), fühlte er sich auf diesem Gebiet merkwürdig uninformiert. Doch es war klar, dass »moralisch flexibel« bei weitem attraktiver war als alle anderen Optionen.
Leticia würde ihn dafür lieben.
Eine Selfmadefrau
Leticia Vane schlenderte, mit dem Schlüsselbund in ihrer Hand klimpernd, die Elizabeth Street hinunter. Sie gehörte zu den jungen Frauen (ja, selbst mit fast Mitte dreißig betrachtete sie sich noch als junge Frau), die genau wussten, wie ihr Körper aussah und welche Wirkung er hatte, wenn sie sich bewegte. Obwohl in diesem Teil der Welt am Vormittag kaum jemand auf der Straße war, stellte sie sich gerne vor, die Leute würden sie beobachten und spüren, dass in ihr eine gewisse gefährliche Lust brodelte.
In der Tat war Leticia Vane in vielerlei Hinsicht ihre eigene erlesenste Kreation. Sie hatte das wenige Rohmaterial genommen, das die Natur ihr zugeteilt hatte, und es gegossen, geformt und daran herumgesäbelt wie ein Bildhauer, der ein Stück Marmor abschlägt.
Nichts war geblieben von ihrem vorigen Leben als Emily Ann Fink aus Hampstead Garden Suburb. Die dichte, durchgehende Augenbraue, mit der sie zu zieren Gott für angebracht gehalten hatte, war verschwunden und zu zwei schlanken, ausdrucksstarken Bögen gezupft, der Überbiss war längst korrigiert worden, das langweilige braune Haar in einem schimmernden Schwarz gefärbt, das die Farbe ihrer Augen besser zur Geltung brachte. Sie hatte ein nettes Gesicht, doch sie hatte begriffen, dass sie keine Schönheit war, und deshalb sehr viel Zeit ihrer Figur gewidmet. Gegessen wurde nur ein Mal am Tag, die übrige Zeit wurde geraucht. Jung zu
sterben war um einiges besser, als fett zu sterben. Es hatte sehr viel harte Arbeit erfordert, Leticia Vane zu erschaffen, Arbeit, die nicht viele Menschen goutierten.
Natürlich gab es auch eine Vorgeschichte. Eines von zwei Kindern eines Wirtschaftsprüfers und einer deprimierten Lehrerin zu sein war ihr nicht gut genug. Leticia wollte etwas Exotischeres und machte aus ihren Eltern Diplomaten, die in fernen Ländern dienten. Sie war an einer Reihe exotischer Orte aufgewachsen, hatte Sprachen gelernt (war jedoch viel zu höflich, in der Öffentlichkeit damit anzugeben), hatte unnatürlich früh erste Affären gehabt, war Hals über Kopf verliebt gewesen, litt aber immer noch an einer Vergangenheit, die viel zu geheim und zu schmerzhaft war, um irgendjemandem davon zu erzählen.
Sie hatte sich immer danach gesehnt, einzigartig zu sein. Eine Rarität. Und jetzt rechnete sie sich aus, dass sie wahrscheinlich noch zehn Jahre hatte, um die Früchte ihrer Arbeit wirklich zu genießen. Denn die fragile Natur ihrer Errungenschaften machte sie umso kostbarer.
Und so schlenderte sie mit wiegenden Hüften die Straße entlang, nur für den Fall, dass jemand aus dem Fenster schaute und überlegte, was diese junge Frau um diese Tageszeit vorhatte. Angeberisch drehte sie den Schlüssel in dem Schloss des winzigen Ladens.
Bordello war ein Laden für Damenunterwäsche, doch es gab keine Regale und keine Kleiderstangen, an denen in langen Reihen seidene Fähnchen hingen, keine ausgezehrten Schaufensterpuppen mit harten Brustwarzen in Stringtangas aus Spitze. Der Raum sah viel eher aus wie ein Pariser Salon um die Jahrhundertwende als wie ein Laden. Die Wände waren mit schmalen schwarz-weißen Streifen tapeziert, die Louis-quatorze-Fauteuils waren mit elfenbeinfarbener Rohseide bezogen, ein seltener kobaltblauer Kronleuchter
warf azurblaues Licht in den Raum. Leticia offerierte maßgeschneiderte Dessous. Es gab keine Musterstücke. Es gab jedoch meterweise exquisit
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