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Der Flirt

Titel: Der Flirt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Tessaro
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als der Faszination der erotischen Untertöne zu erliegen. Die Stücke zwangen einen Mann dazu, zu handeln, und gaben der Frau das Gefühl, passiv und träge zu sein. Sie konnte sich zurücklehnen und ihren Ehemann ködern. Und ein Mann, der sexuell die Initiative ergriff, fühlte sich potenter als einer, dem Sex aufgedrängt wurde.
    Diese unschätzbare Einsicht hatte Leticia, zusammen mit allem anderen, was ihr Gewerbe betraf, von ihrem Patenonkel Leo gelernt. Er war Kostümbildner im West End gewesen. Und wie Leticia war er durch und durch seine eigene Kreation. Er rauchte dünne, schwarze russische Zigaretten, hatte sich wahrscheinlich schon in den sechziger Jahren die Nase richten lassen und trug sein schönes silbernes Haar schulterlang wallend. Seinen Kleidungsstil bezeichnete er als »à la Audrey« − schwarzer Rollkragenpullover aus Kaschmir, schwarze maßgeschneiderte Hose, weiche Lederslipper,
die er sich eigens anfertigen ließ. Er lachte oft und weigerte sich beharrlich, sich irgendeiner Form von Selbstmitleid oder Pessimismus hinzugeben.
    Er stammte aus einer anderen Welt − nicht nur aus der Theaterwelt, sondern aus einem völlig anderen Zeitalter, einem Zeitalter, das wegen Tricks und Betrügereien keine Skrupel gehegt hatte, das nicht den Wunsch gehabt hatte, natürlich zu erscheinen, und das begriffen hatte, dass ein kleiner Taschenspielertrick nichts war, dessen man sich schämen musste. Er war Garderobier von Marlene Dietrich gewesen, als sie ihre Haare unter ihrer Perücke festgesteckt hatte, hatte bei My Fair Lady Schweißpolster in Julie Andrews’ Kleider genäht und sogar die Ärmel von Vivian Leighs Kostümen abgeändert, damit nach einer schlechten Nacht niemand bemerkte, wie ihre Hände zitterten.
    Leticia zog ihre Jacke aus, hängte sie an einen Haken hinter der Tür und sah sich zufrieden um. Leo war jetzt in Rente, doch er liebte den Laden. Die Badewanne war seine Idee gewesen. (Sie bebte gewaltig, wenn man die Wasserhähne aufdrehte, doch sie sah exquisit aus.) Er war der einzige Mensch, der ihre Sammlung von Spitzen und die seltene Qualität der Ballen wunderschöner Stoffe zu schätzen wusste.
    Wenn er nicht gewesen wäre, würde sie womöglich immer noch in Hampstead Garden Suburb dahinvegetieren. Er hatte ihr ein Vogue -Abonnement geschenkt, da war sie acht Jahre alt. Als sie zehn war, hatte er Leticia in seinem eigenen Atelier einen eigenen kleinen Arbeitstisch zur Verfügung gestellt. Dort saß sie, fertigte Skizzen an und sah aufmerksam zu, wenn er die größten Bühnendiven der damaligen Zeit aus verängstigten, egomanen Neurotikerinnen in Geschöpfe verwandelte, die universeller Bewunderung würdig waren. Als Teenager nahm er sie mit ins Theater, bestellte ihr im legendären Kettner’s ihren ersten Cocktail, brachte ihr bei,
sich die Augenbrauen zu zupfen und sich auf eine Art zu bewegen, die Aufmerksamkeit erregte. Er lehrte sie den Unterschied zwischen einer Präsenz, die alle in ihr warmes Glühen einschloss, und einer Haltung, die einem die ganze Welt vom Leib hielt.
    Es gab nichts, was Leo nicht mit einem magischen Hauch verzaubern konnte. Nichts, was er nicht richten konnte.
    Sie schlug ihren Terminkalender auf und überflog die Liste der Namen. Eine Liebesromanautorin, eine Herzogin und eine reiche Amerikanerin aus Savannah. Mehr als drei Termine am Tag machte sie nicht gern, und auf keinen Fall vor elf Uhr am Vormittag. Der frühe Morgen war nicht besonders sexy, sobald man aufgestanden war und sich angezogen hatte, lastete das Gewicht des Tages zu schwer auf jedermanns Gewissen.
    Ihr Handy klingelte. Sie klappte es auf. Es war Leo.
    »Engel, wie geht es uns heute Morgen?«, schnurrte er mit einer von Tausenden von Zigaretten rauen Stimme.
    »Hervorragend. Kommst du heute vorbei? Bitte sag, dass du kommst! Ich habe eine Bestellung für einen seidenen Kimono, den ich weder für Liebe noch für Geld richtig drapiert kriege. Die Frau hat einen Busen wie eine Gebirgskette. Ich verspreche dir, ich lade dich zu einem langen, alkoholisierten Mittagessen ein, wenn du das hinkriegst.«
    »Ich würde ja zu gerne, aber ich kann nicht. Ich fühle mich heute Morgen ein bisschen mitgenommen. In Wirklichkeit habe ich die halbe Nacht mit Juan Strip-Poker gespielt. Du erinnerst dich doch an Juan, oder?«
    »Der Krankenpfleger aus Brasilien?« Sie blätterte die Morgenpost durch. Mal wieder eine Postkarte von ihren Eltern aus Israel. Etliche braune Umschläge. Wie langweilig. Sie

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