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Der Flirt

Titel: Der Flirt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Tessaro
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verblasste Polaroid zeigte Hughie mit drei Jahren an einem Strand in Spanien an der Hand seines Vaters. Robert beugte sich über ihn, seine andere Hand lag auf Hughies unterem Rücken. Er lachte, braun gebrannt, glücklich.
    Hughie hatte das Foto im Laufe vieler Jahre so oft und so lange betrachtet, dass es eine Erinnerung bildete, wo keine existierte. Manchmal stellte er sich vor, immer noch die beruhigende Berührung seines Vaters zu spüren, eine feste Hand, die ihn durch das Unbekannte leitete und ihm half, ein Mensch zu werden, ein Mensch, auf den er stolz sein könnte.
    Hughie schob das Foto zurück in seine leere Brieftasche.
    Das Unbekannte: Da war es wieder, lauerte ihm auf. Er war gerade von einem dreiwöchigen Engagement in Edinburgh zurückgekommen, wo er in einem improvisierten Musical über Obdachlosigkeit mit dem Titel Abfall! mitgespielt hatte. Viel mehr als »Land of Hope and Glory« konnte er nicht singen, doch er hatte während seiner Schulzeit in Harrow oft genug Benjamin Britten gehört, um so tun zu können, als sei er ein passionierter Liebhaber atonaler Harmonien. Sooft er einen falschen Ton erwischte, machte er ein ernstes Gesicht und sang noch lauter. Mit der Zeit hatte der Rest
der Truppe seinen musikalischen Wagemut zu bewundern gelernt. (Allerdings hatte er nach einem nächtlichen Trinkgelage um einiges atonaler gesungen, als er überhaupt vorgehabt hatte.)
    Doch jetzt war er wieder in London, lebte auf dem Sofa in Claras Vorderzimmer, und Geld war offiziell ein Problem. Im Grunde war auch Clara ein Problem.
    Clara war dem Rat ihrer Mutter gefolgt: Sie arbeitete in einer großen PR-Agentur in der City, schritt in hochhackigen Schuhen aus wie ein Mann, trug marineblaue Kostüme und hatte sich die Haare zu einem schlaffen, farblosen Bubikopf schneiden lassen − der bei jeder anderen Frau auf die Miss-Moneypenny-Art sehr sexy gewesen wäre. Ihre Arbeitszeit und ihr Ehrgeiz waren dergestalt, dass Hughie sie kaum zu sehen bekam, doch sie hinterließ ihm kleine gelbe Haftnotizen, auf denen stand, was er zu tun (oder zu lassen) hatte (je nachdem). Manchmal war Hughie davon überzeugt, dass sie mitten am Tag nach Hause kam, um frische Zettelchen auf alles zu kleben, was er je angerührt hatte: »Das ist KEIN Aschenbecher!« auf den Porzellan-Übertopf aus dem achtzehnten Jahrhundert, den ihr Verlobter Malcolm (ein Porzellan-Spezialist bei Sotheby’s, den − außer Clara − alle eindeutig für schwul hielten) ihr geschenkt hatte; »Klapp die Brille RUNTER!« auf den Toilettendeckel; »Kauf dir deine EIGENE MILCH!« auf den Kühlschrank und »Vergiss nicht schon wieder deine blöden SCHLÜSSEL!« auf die Innenseite der Tür, als er gerade (ohne seine verdammten Schlüssel) die Wohnung verlassen wollte. Es stimmte ja, er hatte nur ein paar Tage bleiben wollen, aber sie stellte sich auch wirklich an, die blöde Kuh. Nichts hatte sich zwischen ihnen verändert, seit er sechs und sie zehn Jahre alt gewesen waren und sie ihn den ganzen Tag herumkommandiert hatte wie eine kleinere, bösere Ausführung ihrer Mutter, nur dass
sie erheblich nüchterner war als ihre Mutter und ihr folglich erbarmungslos rein gar nichts entging.
    Er drückte seine Zigarette aus und winkte die Kellnerin herbei.
    Ein schmächtiges Mädchen mit kastanienbraunem Haar kam herüber und reichte ihm die Rechnung.
    »Sie nehmen nicht zufällig Amex, oder?« Hughie lächelte (das Venables-Smythe-Lächeln musste man gesehen haben − zwei Reihen strahlend weißer Zähne, gerahmt von Grübchen, und ein Paar sehr blaue Augen).
    »Ich … ähm …«
    »Schauen Sie« - er linste auf ihr Namensschild -, »Rose, die Sache ist die, ich bin ein bisschen knapp mit Bargeld. Aber ich komme regelmäßig her, Sie haben mich schon mal gesehen. Ich bin fast jeden Tag hier.«
    »Ja, ja … das stimmt«, räumte sie ein. »Aber es ist auch schon das dritte Mal in einer Woche, dass Sie ein bisschen knapp sind.«
    »Hören Sie.« Er stand auf. »Ich sage Ihnen was: Warum gewähren Sie mir nicht noch einen Tag Kredit, und ich verspreche Ihnen beim Grab meiner Mutter, dass ich morgen reinkomme und es wiedergutmache.« Sein Lächeln wurde breiter. Sie errötete. »Dann sind wir uns einig?«
    »Okay.«
    Hughie drückte ihr rasch einen Kuss auf die Wange. »Sie sind ein Star, Rose! Ein absoluter Star!« Er öffnete schwungvoll die Tür.
    »Warten Sie einen Moment! Wie heißen Sie?«
    »Verzeihen Sie! Hughie.« Er streckte ihr die Hand hin. »Hughie

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