Der Flirt
grinste.
Hughie hatte eine Vision von Leticia, wie sie eine solche Uniform trug und sich bückte, um das Bett zu machen.
Konnte es etwas Glamouröseres geben, als in einem Hotel zu leben?
Sie überquerten die Straße zum Grosvenor Square. Der Himmel über ihnen war rosa und orange gestreift und glühte wie die Asche ihrer Zigaretten.
»Also, deine Freundin … wie heißt sie?«, fragte Henry.
»Meine was?«
Henry sah ihn von der Seite an. »Deine Freundin«, wiederholte er.
Hughie erwog, ihn anzulügen, gab den Gedanken jedoch
schnell wieder auf, weil er es auf lange Sicht zu anstrengend fand. »Leticia. Außer dass sie nicht meine Freundin ist. Ganz so fest ist es nicht. Also, ehrlich gesagt, gar nicht fest.«
»Richtig.« Henry nickte. »Seid ihr schon lange zusammen?«
»Ein paar Wochen … vielleicht ein bisschen länger. Aber ehrlich, wir machen nichts anderes als bumsen. Ich darf nicht mal über Nacht bleiben.«
»Ja.« Henry wirkte nicht überzeugt. »Dann liegt dir nichts an ihr.«
»Also, ich meine, sie ist toll. Wild, sexy, schön …«
»Aha.« Henry schüttelte den Kopf.
»Aber es ist nicht so, als wäre ich in sie verliebt!«
»Ehrlich.«
»Ehrlich!«
Henry blieb stehen und drehte sich um, um ihn anzusehen. »Ich wette, sie bläst wie eine Weltmeisterin.«
Hughie machte große Augen. »Was hast du gerade gesagt?«
»Ich habe gesagt« - Henry schaukelte auf den Fersen, die Hände in den Taschen -, »ich wette, sie bläst wie eine Weltmeisterin.«
»Also«, fuhr Hughie auf, »ich wüsste wirklich nicht, was dich das angeht. Ich finde deine Bemerkung, offen gestanden, ziemlich beleidigend!«
»Aha!« Henry zeigte triumphierend auf ihn. »Siehst du! Dir liegt etwas an ihr! Keine Gefühle … dass ich nicht lache! Du, Sir, läufst Gefahr, dich schwer zu verlieben!«
Hughie war verdutzt. »Ehrlich?«
»Absolut. Du schwankst, Smythe. Baumelst gefährlich an der Kante.«
Plötzlich tat sich ein emotionaler Abgrund vor ihm auf. »O Gott! Meinst du wirklich?«
»Ein Blick auf dich genügt, und ich weiß, dass du ein Romantiker bist. Und ein Romantiker ist in Bezug auf die Liebe wie ein Alkoholiker als Barkeeper − man kann ihm einfach nicht trauen. Lass sie fallen, Smythe. Schlag sie dir heute noch aus dem Kopf.«
»Meinst du? Ich denke, das wäre doch ein bisschen … grob.«
»Siehst du! Du ziehst die Entscheidung in die Länge! Sehr schlechtes Zeichen.« Er schüttelte den Kopf. »Wenn du den Job willst, Alter, dann solltest du aufgeben. In dem Punkt ist Valentine sehr streng, und aus gutem Grund.«
»Aber du verstehst das nicht! Es ist das perfekte Arrangement, sie glaubt nicht mal an die Liebe! Wir haben eine rein sexuelle Affäre.«
»Und doch …« Henry unterbrach sich und sah Hughie eindringlich an. »Ich höre, sie ist so heiß und scharf wie ein Rennpferd nach dem Derby!«
»Gütiger Himmel, Mann! Willst du einen in die Fresse?«
»Siehst du! Wer keine Hänseleien auf Umkleidekabinenniveau verträgt, ist eindeutig in Gefahr. Nur wenn einem etwas an einer Frau liegt, empfindet man so ein Gerede als beleidigend.«
»O Gott!« Es stimmte. Henry hatte recht. Hughie hatte es bisher nicht bemerkt, aber irgendwann hatte er wohl nicht aufgepasst und eine unsichtbare Grenze überschritten. Wie hatte er so tief fallen können, ohne es überhaupt zu bemerken? Das sah ihm gar nicht ähnlich. Normalerweise merkte er erst, dass er verliebt war, wenn das Mädchen, mit dem er ausging, es ihm sagte. Gewöhnlich gab es einen Augenblick, und einen peinlichen obendrein, da schaute sie zu ihm auf, klimperte mit den Wimpern und sah ihn zärtlich schmachtend an. »Du liebst mich doch, oder?«, murmelte sie.
In so einer Situation musste ein Mann ja sagen. Alles andere war schlicht gemein. Abgesehen davon, wenn man nicht ja sagte, prügelten sie es sowieso aus einem heraus.
»Was ist mit dir? Willst du damit sagen, du hattest die ganze Zeit keine feste Freundin?«
Henrys Blick war geistesabwesend in die Ferne gerichtet. »Ich habe eine junge Frau geliebt. Einst«, fügte er wehmütig hinzu.
»Was ist passiert?«
Doch Henry antwortete nicht.
Stattdessen schlug er Hughie auf den Rücken. »Eines Tages wirst du das verstehen. Zu flirten, das ist eine Bestimmung. Eine Berufung. Wir flirten, junger Smythe, weil andere es nicht können. Und wir besitzen nur deshalb die Fähigkeit, Liebe zu nähren, weil wir selbst darüber stehen. Aber wie alle wahren Berufungen erfordert auch diese Opfer und
Weitere Kostenlose Bücher