Der Flirt
diese militärische Annäherung an eine Beziehung schüchterte sie ein. Tief in ihrem Herzen hegte Olivia den vagen Traum, mit Arnaud eine Ebene der Ehe zu erreichen,
wo alle Verstellung von ihnen abfallen würde und kein ständiges Vorausplanen mehr nötig wäre.
Das kahle Mädchen goss einen Eimer Seifenwasser vor die Türschwelle.
Doch sie würde es niemals wagen, Mimsy davon zu erzählen.
Wie sie es geahnt hatte, ging Mimsy schon im Wartebereich auf und ab, als sie endlich eintraf. Der Salon war hergerichtet wie eine Fabrik, mit kalten Steinböden, Theken aus Walzblech, großen schwarzen Stühlen, die an die Behandlungsstühle beim Zahnarzt erinnerten, und riesigen Gemeinschaftswaschbecken wie mächtige Steintröge. Patty Smith sang »Because the Night«, und überall liefen attraktive junge Männer in engen schwarzen Overalls herum und balancierten Tabletts mit Getränken.
»Mein Gott!« Mimsy hob die Hände. »Was trägst du denn da? Und wieso kommst du so spät?«
Olivia schaute an ihrer Kaschmirstrickjacke, Jeans und Ballerinas hinunter. »Was ich immer zum Friseur trage. Tut mir leid, dass ich so spät bin …«
»Wie soll er dir denn einen neuen Look verpassen, wenn du ihm nicht wenigstens ein bisschen Inspiration gibst!«, unterbrach Mimsy Olivia, schälte sich aus einer schlichten Chanel-Jacke und warf sie ihr zu. »Du siehst aus, als wolltest du gleich die Kinder von der Schule abholen, um Himmels willen!« Dann unterbrach sie sich. »Oh, tut mir leid, Olivia! Ehrlich!«
»Schon gut«, log Olivia und nahm die Jacke. Sie stank nach Venom, ein Überbleibsel aus Mimsys Blütezeit in den Achtzigern. Auch wenn es ein Couture-Stück war, so etwas würde sie sich nie im Leben kaufen. Aber Mimsy hatte sich große Mühe gegeben, und so zog sie die Jacke pflichtbewusst über. »Bin ich zu spät?«
»Nun« - Mimsy zupfte vor dem Spiegel den Kragen ihrer Bluse zurecht -, »er hinkt eine Stunde hinterher. Aber darum geht’s nicht!«
»Worum denn dann?« Olivia lachte erleichtert.
Mimsy schüttelte den Kopf. »Es geht darum, dass du das hier nicht ernst nimmst. Und ich sage dir, der Teufel steckt im Detail, Schatz. Alles fließt vom Kopf nach unten. Abgesehen davon ist der Mann ein Genie. Er wirkt Wunder. Er ist der exklusivste Friseur der Welt!«
»Rolo ist bereit für Sie«, informierte die Empfangschefin sie kühl und stolzierte einen langen grauen Gang hinunter.
Sie folgten ihr durch die Brigade von Haarkünstlern, die föhnten, schnitten oder Haarverlängerungen anklebten, zu einem kleinen, erhöhten Podium mitten im Salon. Dort, in einem verspiegelten Alkoven, stand Rolo Greeze in seiner ganzen Pracht von einem Meter fünfundvierzig. Wie ein finsterer Zwerg lächelte er schmierig zu ihnen auf und strich seinen Spitzbart glatt. Zwei verängstigte Assistenten standen zu beiden Seiten bereit.
»Ah!« Mit weit ausgestreckten Armen umarmte er Olivia, als würden sie sich seit Jahren kennen. »Setzen Sie sich, setzen Sie sich! ALSO! Wollen mal schauen!« Er fuhr ihr mit den Händen durchs Haar. »Sehen Sie das?« Er hielt die Hände auf Höhe ihres Kinns. »Ihr Haar darf niemals länger sein als so, richtig?«
»Dann kann ich es nicht hochstecken.«
»Die Haare hochstecken ist out! Macht alt!« Er schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Das ist es! Alles, was länger ist, ist für Ihr Gesicht vollkommen falsch! Und ich will Lagen, ganz, ganz viele Lagen! Ich werde einen langen Pony schneiden, der bis hier geht.« Er zeigte auf die Mitte ihrer Nase. »Und dann müssen Sie ihn mit Ihren wundervollen Händen
aus den Augen streichen! Das ist jung! Sexy!«, schwärmte er. »Jeder wird Ihren wunderbaren Ring sehen!«
»O ja!« Mimsy war hingerissen. »Eine vorzügliche Idee! Ganz anders!«
»Dann kann ich nichts sehen.«
»Müssen Sie nicht!« Er lachte. Die Assistenten lachten. Mimsy lachte. »Alle werden Sie ansehen! Und wenn Sie jemanden sehen wollen, ist es, als kämen Sie hinter dem Schleier Ihrer Haare hervor …«
»Ja, ja!« Mimsy nickte.
Olivia rutschte auf dem alles andere als bequemen Zahnarztstuhl herum. »Aber ich will die Haare nicht in den Augen. Das kann ich nicht leiden.«
Rolo wurde ganz still. Er schürzte die Lippen.
Die Assistenten warfen einander nervöse Blicke zu.
»Ehrlich, Schatz.« Sein Ton war flau, gelangweilt. »Sie müssen mir vertrauen. Ich weiß, was ich tue.«
»Ja, Olivia!«, schalt Mimsy sie bestürzt. »Ich meine, deswegen sind wir doch hier, oder? Um den Rat
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