Der Flirt
schon immer Sachen repariert. Doch nachdem ihre Mutter gegangen war, war das, was einst ein Hobby gewesen war, nicht nur ein Beruf geworden, sondern eine Manie. Er hatte eine Besessenheit für das entwickelt, was für andere Plunder war. Er musste es nur sauber machen, reparieren, retten und wieder in die Welt hinausschicken; vielleicht war es nicht ganz so gut wie neu, aber auf jeden Fall besser als vorher. In seinem Eifer lag etwas, was Rose wiedererkannte − es war seine Art, einem Ereignis in seinem Leben, von dem er sich nie richtig erholt hatte, einen Sinn abzugewinnen.
Sie wollte gerade gehen, da fuhr Mick in dem ramponierten weißen Transit-Lieferwagen, Ergebnis einer seiner ersten Transaktionen, ratternd vor.
»Dad!«
»Ich weiß! Ich weiß! Aber du wirst es nicht glauben!« Er sprang heraus und riss die Hecktüren des Lieferwagens auf. »Sieh dir das an!« Er zeigte auf etwas, was aussah wie ein Haufen alter Küchenelemente mit einer seltsam türkisfarbenen Lackierung. »Einfach auf den Müll geworfen! Als wäre es Plunder! Ist das nicht unglaublich!«
»Es ist Plunder, Dad.«
»Bist du verrückt! Schau doch! Das sind Einbauschränke aus den fünfziger Jahren, für die kriege ich drüben in Islington locker zehntausend. Steig in den Lieferwagen.«
»Warum?«
»Wir fahren nach Islington.«
»Ich will nicht nach Islington. Ich bin nur hier, weil du gesagt hast, du hättest was für mich!«
»Ja, richtig. Es wird dir gefallen. Kannst du Rory auf den Schoß nehmen?«
»Du hörst mir nicht zu! Wir fahren nirgendwohin! Ich hatte sogar gehofft, du könntest für mich auf Rory aufpassen
− ich habe einen wichtigen Termin, und ich muss nach Mayfair …«
Mick hob den schlafenden Rory schon aus seinem Wagen. »Ich fahr dich, Liebes. Steig ein. Gott, ist der schwer!« Er knuddelte ihn und strich ihm die Haare glatt. Rory, der erschöpft war, weil er stundenlang durch den Park gelaufen war und Hunde gejagt und Eiscremehölzchen aufgesammelt hatte, wachte für nichts und niemanden auf. Er hing über Micks Schulter, ein schweres, lebloses Gewicht. »Steig ein!«
»Mayfair ist nirgendwo in der Nähe von Islington, und ich will nicht, dass du ihn von einem Laden zum anderen schleifst, Dad. Da wird er irgendwann nörgelig.«
»O nein, ich kann ihn nicht nehmen, Engel. Jedenfalls noch nicht. Aber ich bringe dich nach Mayfair, kein Problem. Hab mich da seit Jahren nicht mehr umgesehen. Die haben tolle Läden da in Maiyfair.«
Rose hatte das Gefühl, sie müsste schreien. Er war unmöglich. Trotzdem kletterte sie auf den Beifahrersitz, nahm Rory, legte den Sicherheitsgurt um sie beide und vergrub die Nase in seinem Haar. Die einzige Möglichkeit, mit ihrem Vater umzugehen, war, mitzumachen und sich fahren zu lassen.
Sie schaute im Rückspiegel zu, wie er den Kinderwagen zusammenklappte und hinten ins Auto legte, zu der Küche aus den Fünfzigern und Gott weiß was noch. Schmächtig, mit dichtem, schwarzem Haar und blauen Augen, war er immer noch ein attraktiver Mann; er sah sogar in seinem witzigen weißen Overall gut aus. Sie würde nie dahinterkommen, was das mit dem Overall sollte − er war eines Tages aufgetaucht und bald Teil seiner beruflichen Identität gewesen. Wie ein Arzt in einem weißen Laborkittel bestand er darauf, ihn jeden Tag zu tragen, und besuchte nie anders angezogen einen Kunden. Angesichts der Tatsache, dass die meisten seiner
Kunden ihre Möbel verkauften, um ihre Schulden zu bezahlen, fand sie diese Eigenwilligkeit besonders witzig.
Er setzte sich neben sie und ließ den Motor an. »Und worum geht es bei dem Termin?«
»Hat mit meinem neuen Job zu tun.«
»Und der wäre?« Er fuhr los und stieß dabei beinahe mit einem roten Fiat zusammen. Er steckte den Kopf aus dem Fenster. »Wichser!«
Rose hatte es vermieden, ihrem Vater in allen Einzelheiten von ihrem neuen Beruf zu erzählen, weil sie nicht wusste, wie sie dazu gekommen war, und weil sie sich absolut sicher war, dass sie ihm nicht erklären konnte, was es damit auf sich hatte. »Also, Dad, ich bin Künstlerin.«
Mick lachte. »Ehrlich? Du? Aber du kannst nicht mal zeichnen, oder?«
»Ehrlich, Dad! Niemand zeichnet mehr. Das weiß doch jeder!«
»Und was machst du? Und ich warne dich. Wenn du dich dazu ausziehen musst, steckst du in Schwierigkeiten!«
»Ich bin zeitgenössische Künstlerin. Es geht um Verfremdung.«
»Und was ist das genau, wenn man fragen darf?« Mick lehnte sich auf die Hupe. »Entscheid dich für’ne
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