Der Flirt
sich gleichzeitig vorkam wie ein Hochstapler. Er lächelte, ohne jemanden anzulächeln, und nickte dem Portier zu, der sich entfernte.
Dann fing er ganz plötzlich an zu kichern. Er versuchte, sich zu beherrschen. Seine Schultern zuckten, und Tränen traten ihm in die Augen. Der Portier starrte stur geradeaus. Und Hughie wurde daran erinnert, welche hysterische Erleichterung ihn als Schuljunge überkommen hatte, wenn er eine lächerliche Mutprobe hinter sich gebracht hatte.
Als Henry zurückkam, war alles, was Hughie tun konnte, sich zusammenzureißen und sich die Tränen von den Wangen zu wischen.
»Travis, Taylor! Kommt!«
Sie stand auf und suchte die Griffe ihrer Einkaufstaschen zusammen, dabei rutschten ihr die vielen goldenen Armbänder übers Handgelenk. »Kinder! Bitte!«
Taylor und Travis tanzten um sie herum, während sie durch die Lobby ging und den Lift betrat. Als sich die Türen im fünften Stock öffneten, hüpften sie hinaus und jagten einander den langen Korridor hinunter. Sie kramte in ihrer Handtasche, holte den kreditkartengroßen Zimmerschlüssel heraus und zog ihn durch das Lesegerät, woraufhin die Tür zu ihrer Suite sich öffnete. Die Kinder liefen ins große Schlafzimmer und warfen sich kichernd aufs Bett.
»Mommy, schau!«, rief Taylor und zeigte auf die Frisierkommode.
»Was ist?« Sie drehte sich um, ließ ihre Tüten los, und ihre Handtasche fiel zu Boden. »Oh, mein Gott!«
Ein wunderschöner Strauß cremeweißer Rosen, durchsetzt mit frischem, duftendem Eukalyptus, prangte vor dem Spiegel der Frisierkommode. Tief zwischen den Blüten steckte eine kleine Karte.
Sie zog sie heraus.
»Sind die von Daddy?« Taylor umklammerte das Bein ihrer Mutter. »Was steht drauf, Mommy?«
»Nein«, sagte sie verwundert. »Sie sind nicht von Daddy.«
»Von wem dann?«
»Ja, Mommy!« Travis sprang aufgeregt auf und ab. »Wer hat dir Blumen geschickt?«
Sie schaute auf, sah ihr Bild im Spiegel und hielt inne.
Dann lächelte sie.
Sie packte Taylors Hände und wirbelte so lange mit ihm im Kreis herum, bis sie auf das große Bett plumpsten. Kissen flogen. Spitzes Kreischen erfüllte die Luft. Travis kletterte eifrig auf sie drauf, und sie drückte die Kinder an sich, diese
beiden kleinen zappeligen Wesen, die nach Wärme, Jugend und Kuchen dufteten. Sie kitzelte sie, bedeckte sie mit Küssen, pustete ihnen in den Nacken, bis sie vor Vergnügen quietschten. Die makellos glatt gezogenen Bettlaken zerknitterten und bekamen Falten, als sie sie zwischen die weichen Kissen warf, bis eines platzte und eine Wolke weißer Federn in die Luft stieß, die langsam, schwerelos zu Boden sank. Sie lachten so ausgelassen, dass die Kinder gar nicht bemerkten, wie sie sich rasch ein paar Tränen abwischte.
Kurze Geschichte des professionellen Flirtens
(Ein kleiner Exkurs)
Nun, Sie wundern sich vielleicht, warum Sie noch nie etwas von professionellem Flirten gehört haben, und einige von Ihnen, die Abgebrühten und Pessimistischen, denken womöglich sogar, so etwas gäbe es gar nicht und ich hätte den ganzen Berufsstand erfunden.
Aber da täuschen Sie sich.
Es war während des berühmten heißen Sommers im Jahre 1911, als Valentine Charles’ eigene Urgroßmutter, die kürzlich verwitwete Mrs. Rowland Vincent (Celia für ihre Freunde), Mühe hatte, den ziemlich tristen Damen-Friseursalon in St. James zu retten, den sie und ihr erster Mann mit ihren gesamten Ersparnissen eröffnet hatten. Der arme alte Rowland Vincent war an einem plötzlichen Zuckerkoma gestorben, ausgelöst durch den Verzehr von zu vielen Rose-Crèmes-Pralinen. (Wie die süße Leckerei überhaupt ins Haus kam angesichts seiner Erkrankung und seiner extremen Vorliebe dafür, ist bis heute ungeklärt.)
Der kleine Salon der Vincents war auf dem besten Weg in den Untergang, da hatte Celia das Glück, Valentines Großvater kennenzulernen − den sehr großen, sündhaft gut aussehenden Nicholas Charles.
Zwölf Jahre jünger als sie und ohne Erfahrung im Friseurgewerbe (mit sechsundzwanzig Jahren hatte er bereits eine verdächtig lange und abwechslungsreiche Karriere als Dienstbote hinter sich, die vom Stalljungen bis zum Kammerdiener
reichte), war er trotzdem bemerkenswert beliebt bei ihren Kundinnen, denn er schuf Frisuren, die auf den langen Zöpfen basierten, wie sie bei Dressurpferden beliebt waren. (Er hatte Glück, dass in dem Sommer das russische Staatsballett in der Stadt war und den Feuervogel von Strawinsky tanzte, sodass der
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