Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Flirt

Titel: Der Flirt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen Tessaro
Vom Netzwerk:
Spur, Kumpel!«
    Simon hatte fast einen ganzen Nachmittag lang versucht, es ihr zu erklären. Sie war versucht gewesen, sich auf den Handrücken Notizen zu machen. Doch am Ende hatte sie sich entschieden, einige wichtige Formulierungen auswendig zu lernen. »Dabei nimmt man vertraute Objekte und stellt sie in einen neuen Kontext, sodass der Betrachter gezwungen ist, sie auf neue Art und Weise zu sehen.«
    »Richtig.« Mick schwenkte auf eine Busspur und bretterte an einer langen Reihe Autos vorbei. »Also, wenn ich eine
Käseraspel in, ich weiß nicht, in die Albert Hall stelle, ist es plötzlich Kunst?«
    Er wollte, dass sie sich dumm vorkam.
    Es funktionierte.
    »Unter Umständen«, sagte sie mürrisch.
    »Was meinst du damit, unter Umständen. Entweder ist es Kunst oder nicht!«
    »Nun, es hängt davon ab, wer du bist, Dad. Es geht nicht nur um die Kunst, es geht um den Künstler. Ich meine, wenn Picasso beim Essen eine Serviette vollkritzelt, ist es eindeutig Kunst, aber wenn Rory so was macht, ist es nur eine bekritzelte Serviette, verstehst du?«
    »Und wie kommt es, dass du so etwas Besonderes bist?«
    Das war die quälende Frage, die sie seit dem schicksalhaften Tag am Chester Square umtrieb. Sie war es in Gedanken immer wieder durchgegangen. Warum waren alle so aufgeregt gewesen? War es ihre Handschrift? Oder die Art und Weise, wie sie die Karten verteilt hatte? Das Schlimmste war, dass jetzt alle erwarteten, dass sie so etwas wieder machte. Die Ausstellungseröffnung rückte bedrohlich näher, und sie hatte ihnen sonst nichts zu bieten. Und tief in ihrem Herzen musste Rose ihrem Vater in der Sache mit der Käseraspel und der Albert Hall recht geben: In ihren Augen war und blieb es letzten Endes eine Käseraspel.
    »Ich weiß nicht genau. Und im Augenblick«, vertraute sie ihm an, »stecke ich ganz schön in der Patsche, Dad.«
    Mick sah sie an. »Wollen sie Geld? Tu nie etwas, wo du zuerst Geld geben musst, bevor du zum Zug kommst.«
    »Nein, Dad, das ist es nicht. Es ist nur so, dass ich dieses Ding gemacht habe, diese Installation …«
    »Hast du dich an die Anleitung gehalten?«
    »Nein, so nennen sie das Kunstwerk, sie nennen es eine Installation. Sie erwarten, dass ich bis heute noch eine mache,
und« - sie drückte Rory an sich, um Mut zu fassen - »und ich kann es nicht, Dad! Ich weiß nicht, wie.«
    »Nun« - er bog in eine Einbahnstraße -, »wie hast du das denn bei der ersten gemacht?«
    »Das war Zufall, ehrlich. Und ich habe mir den Kopf zerbrochen, aber … mir will einfach nichts einfallen, Dad! Ich komme einfach nicht weiter!«
    Während Rory im Kindergarten gewesen war, hatte Rose den halben Vormittag versucht, sich etwas einfallen zu lassen.
    Sie hatte am Küchentisch gesessen.
    Und überlegt.
    Angestrengt.
    Über Kunst nachgedacht.
    Nichts.
    Stattdessen hatte sie sich eine Tasse Tee gemacht.
    Während sie ihn trank, konzentrierte sie sich auf ihre Lieblingsgemälde. Ihre Tante hatte im Wohnzimmer ein Bild von einem Heuwagen neben einem Fluss hängen. Das war schön. Für ihren Geschmack vielleicht ein bisschen zu braun. Dann war ihr wieder eingefallen, dass die Natur angeblich inspirierend war.
    Also hatte sie eine ganze Weile aus dem Fenster ihrer Wohnung auf den kleinen Flecken mageren Rasens zwischen den Häuserblocks gestarrt. Sie ließ Rory nie darauf spielen, denn der Mann von unten ließ seine Bulldogge dort raus. Alles, was sie sah, war Dreck.
    Sie konzentrierte sich noch mehr.
    Doch für sie war und blieb es Hundekacke.
    Schließlich versuchte sie es mit Zeichnen. Simon Grey hatte behauptet, es spiele keine Rolle. Er hatte die Namen von einem halben Dutzend angeblich bekannter Künstler heruntergeleiert, die keinen Kreis zeichnen konnten, geschweige denn etwas, was einigermaßen zu erkennen war.
Doch Rose glaubte ihm nicht. Zuerst versuchte sie, Rory zu zeichnen. Schließlich war sie den ganzen Tag mit ihm zusammen, sie musste doch wissen, wie er aussah. Doch das Ergebnis war steif und rund, und seine Augen standen zu eng zusammen. Er sah aus wie ein zorniges Plüschtier.
    Vielleicht hatte sie bei Victoria Beckham mehr Glück. Sie schlug eine Ausgabe von Hello! auf und suchte ein Foto aus, wo Victoria in einem Abendkleid vor dem Ritz in Paris stand. Das ging ein wenig besser. Trotzdem war ihr Kopf viel zu groß, das Kleid zu lang; sie sah aus wie eine Seejungfrau, außer dass Rose bei den Füßen nicht weiterwusste und beide in Seitenansicht zeichnen musste. Das verlieh ihr

Weitere Kostenlose Bücher