Der Flirt
Hughies Ärmel. »Und hier?« Er wischte ein wenig Schokolade von Hughies Kinn. »Und rieche ich da etwa Champagner? Das kriegst du nicht bei McDonald’s, oder? Du hast eine Frau, Smith! Ich weiß es!«
»Smythe! Venables-Smythe!«
»Smith, Smythe, wie auch immer du dich nennst, du steckst bis zum Hals in Schwierigkeiten!«
»Ich habe nur geschaut! Mich ein wenig umgesehen, mehr nicht.«
Marco schnaubte. »Männer sehen sich nicht einfach so ein wenig im Schmuckgeschäft um!«
»Was auch immer du glaubst, du liegst falsch! Ich bin gerade verlassen worden. Frag Henry, wenn du mir nicht glaubst. Ich bin ein engagierter professioneller Flirter. Einhundert Prozent.«
Marco war noch nicht überzeugt.
»Für meine Schwester«, log Hughie.
»Du lügst!«
»Vielleicht.«
»Du spielst mit dem Feuer. Liebe ist kein Spielzeug!«
»Oh, bitte! Ihr redet alle darüber, als wäre es die Pest! Also, ich habe mir Ohrringe angesehen. Na und? Du tust, als würde ich Heroin spritzen!«
»Ah! Allmählich verstehe ich. Du warst noch nie verliebt. Deswegen bist du so anmaßig!«
»Anmaßend.«
»Egal! Du hast keine Erfahrung mit dem Wahnsinn, keinen Respekt vor der Gefahr! Du, Smith« - er stach Hughie mit seinem Finger in die Brust -, »bist arrogant!«
Hughie war sauer. »Und du, Sir« - er stach ebenfalls mit einem Finger in Marcos Brustkorb -, »bist offensichtlich gefühlskalt!«
»Gefühlskalt!« Wut blitzte in Marcos Augen auf. »Du beschuldigst
mich, Marco Michelangelo Dante Spagnol − den König der Liebe −, gefühlskalt zu sein?«
»Ja.«
»Du bist verrückt! Durchgeknallt! Ich bin ein Meister des Flirts! Der Beste in London!«
»Ah, ja! Aber hast du es bei all dem Flirten je gewagt, dich der Liebe hinzugeben, Marco?«
»Liebe?« Marco schnaubte. »Liebe!«
»Ja, Liebe!«
Marco zögerte, und in diesem Augenblick ging dem italienischen Draufgänger direkt vor Hughies Nase die Luft aus. Seine Schultern in dem makellosen schwarzen Wollanzug von Prada sackten nach unten, seine Augen wurden von Schwermut getrübt. Selbst seine glänzenden dunklen Locken fielen um sein Gesicht herum in sich zusammen.
»Nein«, antwortete er leise.
Das war nicht unbedingt das, was Hughie erwartet hatte. »Ehrlich?«
»Ah, Smith! Ich habe nie die Freuden der Liebe erfahren.« Er seufzte und blickte niedergeschlagen zu Boden.
»Verstehe.«
Irgendwie war ihr Streit entgleist und in dunkle, unerwartet intime Gewässer abgeglitten. Der Marco, den er kannte − der unerschrocken den Rennfahrer gab oder den Architekt, der sich verlaufen hatte −, war verschwunden. An seiner Stelle hatte er einen ziemlich einsamen, müde wirkenden Mann vor sich.
Eine heiße Tasse Tee war wahrscheinlich genau das, was hier gebraucht wurde.
»Hör zu« - Hughie zeigte auf ein kleines Café mit einigen Tischen draußen -, »wie wäre es, wenn ich dir was zu trinken spendiere?«
Bald saßen sie an einem Tisch, und die traurige, paradoxe
Geschichte von Marco Michelangelo Dante Spagnol kam ans Licht.
»Verstehst du, Smith, die Schwierigkeit ist die, dass ich so gut aussehe«, erklärte Marco traurig. »Es ist ein Fluch, ehrlich. Vom Augenblick meiner Geburt an fanden Frauen mich unwiderstehlich. Als Baby musste meine Mutter, wenn sie mit mir spazieren ging, eine Decke über den Wagen … wie heißt das?«
»Kinderwagen?«
»Ja, den Kinderwagen legen! Selbst im heißen Sommer, damit ich vor Fremden geschützt war, die versuchten, mich zu küssen. Und als kleiner Junge musste ich in der Schule jeden Tag in der Woche neben einem anderen Mädchen sitzen, damit sie sich nicht zankten.«
»Gütiger Himmel!«
Marco seufzte schwer. »Mein ganzes Leben lang hätte ich jede Frau haben können, die ich wollte. Und das habe ich. Aber es ist so leer, Smith! Verstehst du, die Welt bedeutet mir nichts. Ich kenne schöne Frauen, erfolgreiche Frauen, begabte Frauen, Models, Schauspielerinnen, Sportlerinnen, aber ich bin noch nie einer Frau begegnet, die mir gewachsen war. Die ganze Zeit höre ich: ›Ich liebe dich, Marco!‹, aber ich kann im Gegenzug nie von Herzen sagen: ›Ich liebe dich.‹«
»Aber wonach suchst du?«
»Feuer! Leidenschaft!« Er schlug mit der Faust auf den Tisch. »Widerstand, Smith! Was ich will, ist eine Frau, die mich nicht will! Aber sieh mich an: Ich bin vierunddreißig Jahre alt und sehe besser aus denn je! Allmählich glaube ich, die Frau meiner Träume existiert gar nicht.«
Sie schwiegen eine Weile.
Zum ersten Mal
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