Der Flirt
sich um.
Eilends verließ sie die U-Bahn-Station, trat auf die Regent Street und streckte die Hand aus.
Ein Taxi fuhr vor, und der Fahrer kurbelte das Fenster herunter. »Wohin soll’s gehen, Schatz?«
»Nach Kilburn, bitte.«
Sie stieg ein, lehnte sich in den Sitz und betrachtete die Schaufenster mit der neuesten Mode. Vielleicht würde sie sich dieses Jahr etwas davon leisten können.
»Sie arbeiten aber spät«, sagte der Taxifahrer und sah sie im Rückspiegel an.
»Ja.« Sie lächelte in sich hinein. »Wir Künstler arbeiten zu den sonderbarsten Zeiten.«
Was Flick von der Liebe hält
Als Hughie am nächsten Tag in die Half Moon Street Nummer 111 kam, wartete Flick schon auf ihn. Kaum war er zur Tür hereingekommen, nahm sie ihn am Arm und schob ihn wieder zur Tür hinaus.
»Kommen Sie mit«, befahl sie.
Draußen marschierte sie mit ihm über die Straße zu einem kleinen italienischen Café, wo sie Kaffee bestellten und Hughie die Gelegenheit nutzte, ein zweites Frühstück zu vertilgen.
»Sie sind in Ungnade gefallen«, erklärte Flick und schaute zu, wie er in der Zeit, die die meisten Menschen brauchen, um ein Croissant zu zerteilen und mit Butter zu bestreichen, zwei gebratene Eier, Würstchen, Speck, Tomaten, Pilze und vier dick mit Butter und Orangenmarmelade bestrichene Scheiben Toast verdrückte.
»Ja.« Hughie nickte seelenruhig. »Ich hatte noch nie eine Arbeit, wo ich nicht ruck, zuck in Ungnade gefallen bin.«
Flick trank einen Schluck köstliche Latte. »Nun, schauen wir mal, was wir tun können, um Sie da wieder rauszuholen. Ich habe noch nie einen der Jungen gebeten, mir bei einem Projekt wie diesem zur Hand zu gehen, Hughie. Und zwar aus dem ganz einfachen Grund, weil es eine gewisse Leichtigkeit der Berührung erfordert, einen fast magischen Glauben an die Macht der Liebe. Flirten ist das eine, aber das hier ist etwas ganz anderes. Ich glaube, Sie besitzen diese einzigartige
Sensibilität, also gebe ich Ihnen die Chance, sich zu beweisen − mir gegenüber, Valentine gegenüber, aber auch Ihnen selbst gegenüber.« Sie stellte ihr Glas wieder auf die Untertasse. »Und jetzt lassen Sie uns mit den Grundlagen anfangen. Was ist Ihrer Meinung nach der erotischste Teil einer Frau?«
Hughie überlegte. »Das ist nicht so leicht«, meinte er, »aber ich würde sagen, die Brüste.«
»Falsch.«
»Verdammt! Also, ich konnte mich nicht zwischen zweien entscheiden …«
»Es ist die Phantasie«, unterbrach Flick ihn rasch, »die Phantasie, Hughie. Wenn es Ihnen gelingt, die Phantasie einer Frau zu fesseln, dann haben Sie sie. Aber die Phantasie ist ein seltsames Geschöpf. Sie braucht Zeit und Abstand, um richtig zu funktionieren.«
Hughie nickte.
»Verstehen Sie, was ich meine?«
Er schüttelte den Kopf.
»Es bedeutet, dass eine Verführung, die sehr langsam vonstatten geht und bei der die Phantasie nur mit den exquisitesten Bildern und Erfahrungen gefüttert wird, zu phantastischen Ergebnissen führen wird. Dies ist unsere Herausforderung: die Sinne zu stimulieren, Liebe zu erwecken und Lust zu erregen, ohne je in Erscheinung zu treten.«
»Knifflig.«
Sie überlegte. »Nicht so knifflig, wie man glauben möchte. Bei einer guten Verführung leistet sowieso derjenige, der verführt wird, den größten Teil der Arbeit. Und vergessen Sie nicht, ich spreche von ›Liebe‹ und von ›Lust‹, aber was ich wirklich meine, das ist Romantik.«
»Worin besteht der Unterschied?«
»Oh, der Unterschied ist gewaltig!« Sie lachte. »Romantische
Liebe ist eine Illusion, Hughie. Sie kann manipuliert, verdreht und aufgetürmt werden wie ein Haufen Zerrspiegel. Ihre Natur ist trügerisch. Sie verspricht Nähe, doch das Einzige, was sie je enthüllt, sind die Träume und Ängste des Menschen, der davon besessen ist. Deswegen ist sie so leicht zu kontrollieren.«
»Hey, das ist aber ein bisschen heftig! Das glauben Sie doch nicht wirklich, oder?« Er lachte nervös. Sie zeichnete ein durch und durch finsteres Bild seines noblen neuen Berufes. »Ich meine, was ist mit Liebe auf den ersten Blick? Romeo und Julia und so weiter?«
»Deswegen habe ich Sie ausgesucht, Hughie.« Sie zwinkerte. »Weil Sie jung und unverbraucht sind und noch daran glauben, der Weihnachtsmann würde am Weihnachtsabend durch den Kamin gesaust kommen. Das hilft mir hierbei sehr.« Sie winkte dem Kellner, er möge die Rechnung bringen. »Dies ist eine Firma. Wir bieten eine Dienstleistung an. Und wie die meisten anderen
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